NRW.Bank legt neues Programm auf / Wohnen im Eigentum e.V. tritt für weitergehende Beratungsangebote ein

12.9.2016. In Nordrhein-Westfalen gibt es rund 2 Mio. Eigentumswohnungen in 410.000 Gebäuden, von denen eine geschätzte Hälfte nicht mehr den energetischen Standards entspricht und modernisierungsbedürftig ist. Der Verband Wohnen im Eigentum e.V. weiß, dass viele Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) ihre Gebäude sanieren wollen. Doch sie stoßen dabei auf viele Hürde. Eine davon ist die Finanzierung: Die angesparten Instandhaltungsrücklagen reichen meist nicht aus. Höhere Sonderumlagen können aber einzelne, viele oder alle Eigentümer nicht aus Eigenmitteln leisten. Um dieses Problem zu lösen und Sanierungen anzustoßen, haben die NRW.Bank und das NRW.Bauministerium ein neues Förderprogramm aufgelegt: den NRW.BANK.WEG-Kredit. Wohnen im Eigentum e.V. war an Verbändegesprächen hierzu beteiligt und brachte die Wohnungseigentümersicht ein. Wie das neue Förderprogramm nun aus ihrer Sicht einzuordnen ist, fasst WiE-Geschäftsführerin Gabriele Heinrich in folgendem Interview zusammen.

Frau Heinrich, was leistet der neue NRW.BANK.WEG-Kredit?

Der Vorteil dieses seit September 2016 verfügbaren Förderprogramms besteht darin, das die WEG als Verband den für die Sanierungsmaßnahmen nötigen Kredit aufnehmen kann. Das ist für die Wohnungseigentümer, die Verwaltung und die Banken weniger aufwendig, als wenn jeder einzelne Eigentümer Geld und Fördermittel beantragt. Zudem löst es das Problem, dass die Sanierung scheitert, weil einzelne Eigentümer gar nicht (mehr) kreditwürdig sind. Beim NRW.BANK.WEG-Kredit erfolgt nämlich keine Bonitätsprüfung; die WEG kann das für die Sanierung benötigte Geld recht einfach und zu akzeptablen Konditionen aufnehmen. Das gilt allerdings nur, sofern es keine Gewerbeeinheiten und auch keine gewerblichen Vermieter in der WEG gibt – insofern ist nur ein begrenzter Kreis an WEGs antragsberechtigt. Wahrscheinlich werden dies eher „mittelgroße“ WEGs mit etwa 20-50 Wohnungen sein.  Und zudem darf eines nicht verkannt werden, was für jeden Verbandskredit gilt: Es gibt eine solidarische Ausfallhaftung der Miteigentümer. Kann einer von ihnen seinen Anteil an den Zins- und Tilgungsraten nicht (mehr) leisten, hat die Gemeinschaft das auszugleichen, solange nur ein einziger Eigentümer noch zahlungsfähig ist. Dieses Risiko, über das die Wohnungseigentümer laut BGH vor einem Beschluss über eine Verbandskreditaufnahme informiert werden müssen und das im Protokoll der Eigentümerversammlung benannt werden muss, sollte allen auch wirklich bewusst sein.

Gibt es konkrete Zahlen zum Sanierungsbedarf von Wohnungseigentumsanlagen in NRW?

Der Sanierungsstau bei WEG-Gebäuden ist noch wenig untersucht. Doch ein Blick auf die Zahlen laut Volkszählung 2011 lässt Rückschlüsse zu:
In NRW gibt es rund 2 Mio. Eigentumswohnungen in 410.000 Gebäuden. Das entspricht einem Anteil von 23 % aller Wohnungen in NRW; bei den Geschosswohnungen mit mehr als 3 Wohneinheiten liegt der Anteil der Eigentumswohnungen sogar bei 40 %. 78 % der Gebäude wurden vor 1990 gebaut.

Wir können also annehmen, dass NRW-weit mehr als 50 % der WEG-Gebäude heutigen energetischen Standards nicht mehr entsprechen, wenn sie nicht zwischenzeitlich modernisiert wurden. Vor allem bei den weniger attraktiven Gebäuden aus den Jahren 1950 -1989 kann davon ausgegangen werden, dass in sie bisher eher wenig investiert wurde. Mehrfamilienhäuser dieser Zeit wurden vielfach erst in den 90er Jahren vom Mietshaus in eine WEG umgewandelt und dann allenfalls „pinselsaniert“ verkauft. Das Potenzial zur Verbesserung der Wohnqualität, des Wohnkomforts, des Zusammenwohnens unter einem Dach und zur Einsparung von Heizenergie ist somit vor allem bei diesen WEGs in Gebäuden aus den Nachkriegsjahren bis in die 90er Jahre groß.

Welche Hürden halten nach Erkenntnissen von Wohnen im Eigentum e.V. gerade WEGs von Modernisierungen und Sanierungen ab?

Ob Fenster erneuert und Dächer gedämmt werden sollen, ist in Wohnungseigentumsanlagen erst einmal keine rein baulich-technische Frage, sondern eine rechtliche und organisatorische. Denn bevor die Handwerker beauftragt werden, müssen die Wohnungseigentümer in mehreren Eigentümerversammlungen ein Konzept entwickeln und über alle Schritte, Maßnahmen und Ausgaben, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, diskutieren und entscheiden.

Berücksichtigt werden muss dabei, dass die Entscheidungsprozesse in WEGs langwierig und oft kompliziert sind: Neben der Tatsache, dass regulär in WEGs nur 1x im Jahr eine Eigentümerversammlung stattfindet, müssen Gruppenprozesse beachtet und die unterschiedlichen Interessen von vermietenden und selbstnutzenden Eigentümern, von finanzstarken und -schwachen Eigentümern und von älteren Eigentümern, die keine Veränderungen mehr wollen, Berücksichtigung finden.

Scheitern Entscheidungen auch am Geld?

Die Kostenfrage beeinflusst wesentlich die Meinungsbildung der Wohnungseigentümer und ihre Bereitschaft, bauliche und haustechnische Maßnahmen mitzutragen. Bei WEGs kommt es darauf an, einen Finanzierungsweg zu finden, den möglichst alle Eigentümer mitgehen können.

Ist die Rücklagenkasse gut gefüllt, kann die Eigentümergemeinschaft die vorgesehenen Maßnahmen vielleicht daraus finanzieren, unter Einbeziehung von Fördermöglichkeiten und Zulagen. Ist dies nicht der Fall, muss über – ggf. durch Kreditaufnahme zu finanzierende – Sonderumlagen nachgedacht werden. Bei einer Fremdfinanzierung muss erwogen werden, ob, unter welchen Bedingungen und auf welche Weise die Wohnungseigentümer insgesamt, ein Teil der Eigentümer oder einzelne Eigentümer Kredite aufnehmen können. Hier kommen dann auch Fördermittel wie der neue NRW.BANK.WEG-Kredit ins Spiel.

Reicht das aus? Oder wie könnte eine weitergehend staatliche Förderungen aussehen?

Eine WEG-Sanierung ist ein sensibles Projekt. Sie von „oben“ nach „unten“ durchzusetzen, hat sich als wenig erfolgreich erwiesen. Die notwendigen Mehrheiten sind nur zu erreichen, wenn über die Verwaltungen und einige engagierte Eigentümer hinaus Informationen mit allen geteilt und Diskussionen erlaubt, ja gefördert werden. Doch wie viele Wohnungseigentümer kennen die Rechtsvorgaben für Sanierungsbeschlüsse, verstehen die Gutachten, den Verfahrensweg? Wie viele wissen, wie eine gute Gesprächs- und Diskussionskultur zu entwickeln ist, um einvernehmliche Lösungen zu finden, was die Aufgaben des Verwaltungsbeirats sind, ob und wie ein Bauausschuss gegründet werden sollte und was dieser dann zu tun hat, um die Verwaltung im Sinne der Eigentümer zu lenken und zu leiten?

Unser Appell an die Energie- und Förderpolitik: Schafft Hilfestellungen und Werkzeuge zur organisatorischen Bewältigung von Sanierungsprojekten der WEGs! Abgesehen von den Informationen, Vorträgen, Beratungen und Serviceleistungen sowie dem organisierten Erfahrungsaustausch von Wohnen im Eigentum e.V. gibt es bisher nur wenig Unterstützung. Es fehlen Motivationsanreize. Es fehlen nicht nur schriftliche Ratgeber, Flyer, Website-Infos, sondern auch Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches, der Schulung,  Moderationsangebote für schwierige Situationen, sowie eine energetische Rechtsberatung. Hier sehen wir einen enormen Handlungsbedarf für die staatliche Energie- und Förderpolitik. Gerechtfertigt ist das nicht nur aus Gründen der Verbraucheraufklärung, sondern auch zur Förderung von Wirtschaft und Handwerk, zum Sicherung der Altersvorsorge von Millionen „kleiner“ Immobilieneigentümer und schließlich im Hinblick auf die Klimaschutzziele, die ohne die energetische Sanierung von WEGs nicht erreichbar sind.