Das Bundesjustizministerium (BMJV) hat eine radikale Umgestaltung des Wohnungseigentumsgesetzes auf den Weg gebracht. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundeskabinett am 23.03.2020 verabschiedet. Er wird am 06.05.2020 in den Bundestag gelangen. Der Entwurf sieht zwar punktuelle Verbesserungen für die Wohnungseigentümer vor, insbesondere in Bezug auf das Sondereigentum, aber ihre wesentlichen derzeitigen Probleme werden nicht angemessen behandelt. Darüber hinaus würden die Neuregelungen die Machtverhältnisse in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) in eine deutliche Schieflage bringen – zu Gunsten der Verwalter und zu Ungunsten der Eigentümer. Zu diesem Ergebnis kommt Wohnen im Eigentum (WIE) in seiner Ende Februar 2020 vorgelegeten Stellungnahme zu dem Referentenentwurf für das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEModG), der vom jetzt vorliegenden Gesetzentwurf nur unwesentlich abweicht.
Lesen Sie hier das Fazit von WiE.
Die wichtigsten geplanten Neuregelungen aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung:
- Der abstrakte Verband WEG soll die gesamte Verantwortung und die Haftung für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums übernehmen sowie für Schäden aufkommen, verursacht durch eine nicht ordnungsmäßige Verwaltung bzw. aufgrund von Pflichtverletzungen der Verwalter.
- Die Wohnungseigentümer sollen wichtige Rechte und Direktansprüche verlieren. Sie sollen nicht mehr direkt gegen den/die Verwalter/in, gegen Miteigentümer oder Handwerker vorgehen können, wenn diese ihre Pflichten verletzen. Dies soll künftig der Verband tun. Somit wird den Eigentümern die Kontrolle der Verwaltung und die Durchsetzung berechtigter Ansprüche massiv erschwert.
- Die Verwalter sollen mehr eigenständig, also ohne Beschluss der Eigentümer, entscheiden dürfen. Je nach Größe der WEG soll auch die Vergabe von Reparaturaufträgen oder gar der Abschluss von Versorgungs- und Dienstleistungsverträgen dazu gehören.
- Die Verwalter sollen zudem unbeschränkte Vertretungsmacht nach außen erhalten. Damit könnten sie dann auch ohne Beschluss der Eigentümer jederzeit Aufträge erteilen und Verträge abschließen. Diese wären für die WEG bindend, könnten von dieser nicht mehr geändert oder abgelehnt werden. Die Wohnungseigentümer müssten den damit verbundenen Zahlungspflichten nachkommen. Sie könnten die Verwalter höchstens noch auf Schadensersatz verklagen.
- Der Verwaltungsbeirat soll kein starkes Kontrollorgan der Verwaltung werden, einfache und effiziente Kontrollstrukturen werden nicht geschaffen.
- Die geplante „Vereinfachung“ bei der Jahresabrechnung soll in erster Linie Anfechtungsklagen reduzieren. Sie schafft keine ausreichende Transparenz, erleichtert nicht die Prüfung und schafft keine Rechtssicherheit.
- Alle baulichen Veränderungen sollen nur noch mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Das ist zu weitgehend bei gleichzeitiger Streichung der Grenzen der Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung und der Beschluss-Sammlung.
- Eine WEG soll als Ein-Personen-Gemeinschaft mit dem Bauträger/Aufteiler als einzigem Mitglied entstehen. Dieser soll für die WEG u.a. Verträge bindend eingehen können, die im eigenen Interesse geschlossen und damit oft zum finanziellen Nachteil der Wohnungskäufer ausfallen werden.
Es gibt punktuelle Verbesserungen für die Eigentümer
- Freiflächen, z.B. Terrassen, und Stellplätze sollen Sondereigentum werden können.
- Ein Anspruch auf Duldung baulicher Maßnahmen für Barrierefreiheit soll eingeführt werden, wie es WiE schon lange fordert.
- Gefördert werden sollen auch Maßnahmen für E-Mobilität, Einbruchschutz und schnelles Internet.
- Die Mindest-Einberufungsfrist für Eigentümerversammlungen soll auf 4 Wochen verlängert werden.
- WEGs sollen eine Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen beschließen dürfen. Das ist besonders wichtig, wenn Eigentümerversammlungen unabhängig von der Anzahl der Erschienenen immer beschlussfähig sein sollen (was WiE kritisch sieht).
- Gesetzlich verankert werden soll das Recht der Eigentümer auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen. Auszuüben ist dieses Rechts wegen des geplanten Systemwechsels allerdings gegenüber dem Verband WEG, der es dann gegenüber dem Verwalter durchsetzen muss.
- Verwalter sollen den Eigentümern einen jährlichen Vermögensbericht liefern müssen. Auch hier richtet sich der Anspruch an den Verband WEG, nicht direkt an die Verwalter.
- Die Abberufung von Verwaltern wird erleichtert, was insbesondere im Krisenfall wichtig ist.
Insgesamt betrachtet gilt:
WiE warnt vor gravierenden Auswirkungen
- Das Wohnen in Eigentumswohnungen würde für die Selbstnutzer und für die Mieter teurer werden. Denn zum einen erhalten die Verwalter weitgehende Entscheidungsrechte und unbeschränkte Vertretungsmacht, haben aber keinen Ansporn für die WEG wirtschaftlich zu handeln. Zum anderen soll künftig der Verband für alle Verwaltungs-Fehler von Verwaltern, Miteigentümern und Handwerkern haften; so würde die WEG häufig Schadensersatz zahlen, ohne bei den eigentlichen Schädigern Regress zu nehmen oder nehmen zu können.
- Es würden Strukturen geschaffen, die unwirtschaftliches Handeln, Vetternwirtschaft bis hin zur Korruption befördern. Denn mit der Stärkung der Stellung der Verwalter als "Geschäftsführer" ohne angemessene Kontrollinstrumente für die einzelnen Eigentümer und ohne Stärkung des Verwaltungsbeirats wird dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
- Für die einzelnen Eigentümer wird der gerichtliche Rechtsschutz eingeschränkt, wenn nur die WEG gegen Schädiger und Verantwortliche vorgehen können soll. Der gerichtliche Rechtsschutz wird sogar reduziert, da unangemessene, benachteiligende Kostenverteilungsschlüssel nur noch anfechtbar sein sollen, nicht mehr nichtig (so ist es bisher). Bemerken Wohnungseigentümer den Nachteil oder Fehler erst einen Monat nach der Eigentümerversammlung, haben sie „Pech gehabt“.
- Eigentumswohnungen würden zu einem "Eigentum zweiter Klasse", was gesellschafts- und wohnungspolitischen Zielen widerspricht. Denn die Eigentümer sollen die Hoheit über das Gemeinschaftseigentum viel zu weitgehend abgeben, siehe oben.
- Verdrängung sozial schwacher Eigentümer. Da bauliche Veränderungen mit einfachen Mehrheiten und „freizügigen“ Kostenverteilungsregelungen einfacher als bisher beschlossen werden können, besteht die Gefahr, dass Investoren „Aufkaufstrategien“ entwickeln und finanziell schwache Eigentümer verdrängen werden, um zentrumsnahe Wohnungen in ihre Hand zu bekommen und teuer weiterzuverkaufen. Dadurch wird die Preisspirale in den deutschen Großstädten noch weiter erhöht und die Gentrifizierung verstärkt.
Mit all diesen Regelungen würde das ursprüngliche Ziel des Wohnungseigentumsgesetzes, breiten Bevölkerungsschichten den Erwerb eines Eigenheims zu ermöglichen, konterkariert. Der vom BMJV vorgelegte Entwurf für ein Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEModG) entspricht nicht im Mindesten den Anforderungen, die aus Eigentümer- und Verbrauchersicht an eine Reform des Wohnungseigentumsgesetzes zu stellen sind. Dieser Entwurf begünstigt die Interessen der Wirtschaft – die der Verwalter, der Bauträger/Aufteiler sowie der Dienstleister und Handwerker.
Weiß das Bundesjustizministerium, dass es auch für den Verbraucherschutz zuständig ist?
Optimierungen für ein an den Eigentümerbedürfnissen orientiertes neues Wohnungseigentumsgesetz schlägt WiE in seiner Stellungnahme vor. Zudem startet WiE ab sofort Informations- und Aufklärungsaktionen, damit möglichst viele Wohnungseigentümer erfahren, was seitens des Gesetzgebers in Planung ist.
- Informationen und Aktionen zur Reform
- Online-Petition - bitte unteschreiben und teilen!
Machen Sie das Gesetzesvorhaben in Ihrer WEG und unter weiteren Wohnungseigentümern bekannt!
Rückendeckung und Rückenwind für WiE
Wohnen im Eigentum ist der einzige Verbraucherverband, der sich auf das Wohnungseigentum konzentriert (siehe dazu auch unsere Stellungnahme zum WEModG im Vergleich zu denen der anderen Verbände). Unterstützen Sie WiE bei der politischen Vertretung Ihrer Interessen dadurch, dass Sie Mitglied bleiben bzw. jetzt Mitglied werden - und andere Wohnungseigentümer von einer Mitgliedschaft überzeugen. Je mehr wir sind, umso besser werden wir gehört!
Die Vereinsleistungen für Mitglieder sollten darüber hinaus ein überzeugendes Argument für die Mitgliedschaft sein. WiE berät und unterstützt Sie umfassend - das brauchen Wohnungseigentümer heute und künftig wohl mehr denn je!
Darüber hinaus bündet diese Seite hier für Sie die
WiE-Informationen und Aktivitäten zum Reform-Entwurf
>> Gesetzentwurf WEModG (Bundesregierung) I 23.03.2020
>> Offener Brief an Bundesjustizministerin I 23.03.2020 - und die wenig überzeugende Antwort
>> Referentenentwurf WEModG aus dem BMJV I 14.01.2020
>> Synopse aktuelles WEGesetz / Referentenentwurf WEModG im direkten Textvergleich (PDF)
>> WiE-Stellungnahme zum Referentenentwurf WEModG (PDF) I 25.02.2020
>> Schaubild: WEG-Verwaltung nach dem Entwurf WEModG (PDF)
>> Stellungnahmen anderer Verbände und Organisationen
>> Übersicht über die 16 wichtigsten WiE-Forderungen zum Referentenentwurf
>> Vergleich: „Von unseren Nachbarn lernen? Wohnungseigentum in den Niederlanden“ (PDF).
>> Interview aus Österreich: „Wir sind dem Verwalter ausgeliefert“
>> Ergebnisse einer WiE-Umfrage unter Wohnungseigentümern: Verwalter verursachen hohe Schäden (PDF)
>> Ergebnisse einer WiE-Umfrage unter Wohnungseigentümern: Wie bekommen wir den Tanker WEG wieder flott? (PDF)
>> WiE-Positionspapier zum Systemwechsel in der WEG-Verwaltung: „Die Wohnungseigentümer wollen das ‚Sagen‘ behalten“ (PDF)
>> WiE-Positionspapier zur Verwalterstellung: "Dienstleister oder Geschäftsführer? Vereinfachung der WEG-Verwaltung muss ohne Stärkung der Verwalter/innen möglich sein!" (PDF)
... sowie viele weitere Aktivitäten, siehe Chronologie unter Schritte zur Reform.