Rund 200 Gäste feierten den 20. Geburtstag des Vereins Wohnen im Eigentum im Rahmen der Jubiläumstagung am Samstag, 9. September, im Arbeitnehmer-Zentrum Königswinter. Vielfältige Informations- und Beratungsangebote (unter anderem von Ausstellungspartnern) waren an diesem Tag geboten. Neben Impulsvorträgen aus den Themenbereichen Recht, Politik und Gruppenkommunikation diskutierten Bundestagsabgeordnete verschiedener Fraktionen mit WiE-Vorständin Gabriele Heinrich die Frage „Welche Rolle spielen die Wohnungseigentümer*innen überhaupt in der Politik?“. In Workshops zu verschiedenen Themen konnten die Wohnungseigentümer*innen außerdem Informationen und Erfahrungen austauschen und sich miteinander vernetzen. Welche Herausforderungen kommen auf die Eigentümer*innen der rund zehn Millionen Eigentumswohnungen in Deutschland zu? Welches sind die Zukunftsthemen? Diese und weitere Fragen rund um das Wohnungseigentum standen im Zentrum der Tagung.

Hermann Schenk, WiE-Aufsichtsratsvorsitzender (im Foto rechts), begrüßte die Anwesenden und eröffnete die Tagung mit Glückwünschen zum 20-jährigen Bestehen von Wohnen im Eigentum.

Durchs Programm führte Marcus Niehaves, Leiter und Moderator des ZDF-Wirtschaftsmagazins „WISO“.

 

In ihrem Vortrag „Die Wohnungseigentümer*innen – unbekannte Wesen oder anerkannte Akteure? Über den dauerhaften Kampf um Aufmerksamkeit“ schilderte WiE-Vorständin Gabriele Heinrich die Ausgangslage, die 2003 zur Gründung des Vereins führte. „Wohnungseigentümer*innen und WEGs waren damals unsichtbar und unbekannt“, erinnerte sich Heinrich. Es gab keine engagierte Verbraucherorganisation für Wohnungseigentümer*innen, es herrschte ein starkes Ungleichgewicht zwischen wohnungswirtschaftlichen Verbänden und Verbraucherorganisationen, außerdem war das Beratungsangebot für Wohnungseigentümer*innen sehr mau. „Wir wollten den Status quo nicht akzeptieren“, sagte Heinrich, und suchten Mitstreiter für die Vereinsgründung. 13 Personen legten schließlich im Juli 2003 mit Unterzeichnung der Satzung den Grundstein für den Verein Wohnen im Eigentum.

Die Antwort von WiE auf den Status Quo lautete damals wie heute: „Mehr Gemeinschaft! Die Wohnungseigentümer*innen müssen sich als Teil der Gemeinschaft fühlen“, sagte Heinrich. Die Fokussierung auf das Wohnungseigentumsrecht, also auf die rechtlichen Fragen, greife zu kurz. Bis heute gebe es keine gefestigte Diskussions- und Streitkultur in Wohnungseigentümergemeinschaften, über Jahrzehnte habe als einzige Lösungsstrategie „der Gang vor Gericht“ gegolten. Hier mangele es bis heute an Alternativen – und die wolle Wohnen im Eigentum immer wieder aufzeigen. Heinrichs Appell an die Wohnungseigentümer*innen: „Entwickeln Sie gemeinsam Leitlinien und gewichtige Grundsätze für Ihre WEG und lassen Sie sich nicht das Heft aus der Hand nehmen!“. Keinesfalls sollten WEGs die Verantwortung einfach an ihre Verwaltung abgeben – Verwaltungen als externe Dienstleister könnten die Gemeinschaftsbildungsarbeit nicht leisten. Nur wenn das Dreieck Wohnungseigentümer*innen – WEG – Beirat im Gleichgewicht sei, könne das Wohnungseigentum gut funktionieren, betonte Gabriele Heinrich. Wohnungseigentum müsse also immer ganzheitlich betrachtet werden.

Angesichts dieser bereits vorhandenen Herausforderungen in Bezug auf Kommunikation und Gemeinschaftsbildung kritisierte die WiE-Vorständin den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes, wonach künftig reine Online-Eigentümerversammlungen schon mit einer ¾-Mehrheit beschlossen werden können. „Es besteht die Gefahr, dass dadurch bestimmte Wohnungseigentümer*innen ausgegrenzt werden, dass WEGs gespalten werden und dass Verwaltungen sich ins Digitale flüchten“, machte Heinrich ihre Kritik an der reinen Online-Eigentümerversammlung deutlich. WiE lehnt diese Pläne daher entschieden ab. „Wir sind aber nicht gegen die Digitalisierung“, so Heinrich. Bereits jetzt gebe es die Möglichkeit, hybride Eigentümerversammlungen durchzuführen – und die könnten WEGs nutzen.

WiE-Vorständin Gabriele Heinrich
WiE

Der Vergleich mit virtuellen Aktionärsversammlungen, die das Bundesjustizministerium bei seinen Plänen zur Einführung der reinen Online-Eigentümerversammlung anführt, funktioniere nicht: „WEGs sind keine Aktiengesellschaften und auch keine GmbHs!“, stellte Heinrich klar. Erst 2020 sei das Wohnungseigentumsgesetz umfassend reformiert worden – und in letzter Minute auf massiven Druck von Wohnen im Eigentum nachgebessert worden, „aber nicht ausreichend“. Jetzt solle das Wohnungseigentumsgesetz plötzlich nachgebessert werden, „weil es in das Digitalkonzept der FDP passt“ – obwohl keine Fakten zum Bedarf vorlägen, sondern lediglich „rein hypothetische Annahmen und unglaubwürdige Ziele“, so Heinrich.

Mit Blick auf die Zukunft forderte sie ein partizipatives Vorgehen für weitere Nachbesserungen am Wohnungseigentumsgesetz – „wir sehen weiteren Änderungsbedarf, gerade in Bezug auf die Wärmewende“, so Heinrich – nach dem Vorbild von Bürgerräten solle ein Wohnungseigentümerrat eingerichtet werden und beim Gesetzgebungsverfahren mitwirken. Es dürfe nicht mehr, wie jahrzehntelang geschehen, über die Köpfe der Wohnungseigentümer*innen hinweg entschieden werden.

In Bezug auf die Zukunftsaufgabe „Klima- und Wärmewende im Wohnungseigentum“ kritisierte die WiE-Vorständin, dass es vom Bund keine Konzepte, Strategien sowie spezielle Beratungsangebote und Förderprogramme für die Wohnungseigentümer*innen und die WEGs gebe – worauf Wohnen im Eigentum bereits seit langem immer wieder aufmerksam macht. Doch ohne die Wohnungseigentümer*innen werde es keine Energie- und Wärmewende geben, betonte Heinrich. Nötig sei außerdem eine ressortübergreifende Zusammenarbeit der Bundesministerien - ein gemeinsam entwickeltes Konzept von Bundesjustizministerium, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.

 

Wolfgang Dötsch, Richter am Oberlandesgericht Köln, skizzierte in seinem Vortrag „Wird die WEG eine Art Aktiengesellschaft?“ die Entwicklung des Wohnungseigentumsgesetzes und dessen Vorläufer (das sogenannte Stockwerkseigentum).

Das Wohnungseigentumsgesetz wurde in Deutschland 1951 eingeführt. Damals habe man „die Gemeinschaft wirklich als eine Gemeinschaft der Eigentümer verstanden“, es habe noch gar keinen Verband der Wohnungseigentümer gegeben. Mit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes 2007 wurde die WEG dann als Verband für rechtsfähig erklärt, aber die Zuständigkeiten seien noch nicht klar gewesen, führte Dötsch aus (was machen die Eigentümer, was macht der Verwalter? Was macht die WEG?). Dies habe der Gesetzgeber mit der Reform des WEGesetzes 2020 nun „glattgezogen“ – aus Sicht eines Juristen die einzig richtige Entscheidung. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hätte nun wie bei einer Aktiengesellschaft eine starke Position. Der Verwalter als Vertreter der WEG hätte zwar auch eine starke Position, dies gelte allerdings nur für die Vertretung nach außen (Außenverhältnis). Im Innenverhältnis könne, so Dötsch, die Wohnungseigentümergemeinschaft die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters einschränken und ihm Vorgaben machen (§ 27 WEGesetz), „was auch oft geschehen wird“.

Mit der WEGesetz-Reform sei die Position des Beirats gestärkt worden. Er unterstützt und überwacht jetzt den Verwalter – so wie der Aufsichtsrat in einer Aktiengesellschaft den Vorstand überwache. Allerdings sei, so Dötsch, nicht klar definiert, wie der Beirat diese Aufgaben konkret erfüllen solle. „Als Beirat kann und muss man das mit Leben füllen“, sagte Dötsch und betonte die Wichtigkeit des Amtes.

Wolfgang Dötsch
WiE

Dass das Wohnungseigentumsgesetz an das Aktienrecht angenähert werde, sei „nichts Schlimmes“, denn es gebe Gemeinsamkeiten. Das wichtigste Element aus dem Aktienrecht, das auch im Wohnungseigentum gelte, führte Dötsch aus, sei die Möglichkeit zur Beschlussfassung mit Mehrheit („das ist gar nicht selbstverständlich“) – und die Möglichkeit, Beschlüsse innerhalb der einmonatigen Frist nach der Beschlussfassung anzufechten.

Zu den Plänen zur Einführung der reinen Online-Eigentümerversammlung äußerte Dötsch sich diplomatischer als bislang, wies aber auf Probleme in der praktischen Umsetzung hin.“ Er selbst habe in seinem Beruf viel Erfahrung mit digitalen Kommunikationsformaten gesammelt – sein Kommentar dazu: „Ich habe alles übers Scheitern gelernt“. Deutliche Kritik hingegen übte Dötsch an der rechtlichen Lücke der Bauträgerinsolvenzen, bei denen Käufer*innen in der Regel schutzlos dastehen. „Dass wir dafür keine Lösung haben, ist schlecht.“

Mit Blick auf die Herausforderung Klima- und Wärmewende sagte Dötsch, bauliche Veränderungen seien mit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes einfacher geworden, da sie nun mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können. Das Wohnungseigentumsgesetz biete also ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten – privilegierte Maßnahmen, wie jüngst für Solarsteckermodule eingeführt, seien also gar nicht vonnöten. „Sie haben die Chance, Ihre WEG fit für die Zukunft zu machen“, wandte er sich an die Zuhörer*innen. „Über das Heizungsgesetz kann man so viel schimpfen wie man will – es ist der richtige Weg.“

 

Diplom-Psychologin und Autorin Eva Stützel
WiE

Wie eine gute Kommunikation in einer Gruppe gelingen kann, war das Thema von Eva Stützel, Diplom-Psychologin und Autorin des Buchs „Der Gemeinschaftskompass“. Sie stellte in ihrem Vortrag sieben Faktoren vor, die beachtet werden müssen, um Gemeinschaftsprojekte erfolgreich zu realisieren und die auch für WEGs hilfreich sein können. Stützel selbst hat 1993 das genossenschaftlich organisierte Ökodorf „Sieben Linden“ aufgebaut, in dem sie selbst auch wohnt, und ist unter anderem als Beraterin für Wohnprojekte aktiv.

Stützels Botschaft lautete: „Die Gemeinschaft muss aktiv gepflegt werden.“ Wenn man Gemeinschaft nicht pflege, fehle das Zentrum. Die in der Regel einmal jährlich stattfindende Eigentümerversammlung reiche hierfür nicht aus, sondern WEGs müssten Strukturen schaffen, wo möglichst viele Eigentümer*innen mitgenommen würden. Beispielsweise könnten mit einer guten Vorbereitung eines Beschlusses (Stichwort: Systemisches Konsensieren), an der alle Individuen mitwirken, bereits im Vorfeld Widerstände erkannt und Lösungen erarbeitet werden – was letztlich in der Regel dazu führe, dass ein Beschluss qualitativ besser und auch eher von allen Eigentümer*innen getragen werde.

 

Annett Jura, Abteilungsleiterin Wohnungswesen und Immobilienwirtschaft im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, machte in ihrem Vortrag zu Beginn deutlich: „Die Energiewende muss von uns allen getragen werden.“ Dass die Wohnungseigentümer*innen und WEGs als Zielgruppe in verschiedenen Gesetzesvorhaben der Energie- und Klimapolitik bisher kaum eine Rolle gespielt haben, bedauerte sie, und versicherte in dem Zusammenhang, die Forderung von Wohnen im Eigentum „Mehr Fokus auf die Wohnungseigentümergemeinschaften!“ in ihre Arbeit und in Gespräche mit dem Bundesjustizministerium mitzunehmen.

Annett Jura vom BMWSB
WiE

Zur am Vortag verabschiedeten Gebäudeenergiegesetz-Novelle betonte Jura die Verzahnung mit dem kommunalen Wärmeplanungsgesetz, das noch vom Bundestag verabschiedet werden muss. Dieses sieht verschiedene Fristen für die Kommunen vor, die eine Wärmeplanung erstellen müssen. Jura sagte, es gebe derzeit Länder, „die schon viel weiter sind als der Bund“. Ihre Botschaft an die Zuhörer lautete dann: „Wenn es auf Landesebene bereits Wärmepläne gebe, dann werden diese anerkannt“ – bestehende Wärmepläne hätten also Bestandsschutz.

Auch auf den Gesetzentwurf „Solarpaket I“ (das ab 1.1.2024 gelten soll) ging Jura ein. Sie begrüßte die darin vorgesehene Einführung des Modells der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“. Damit werde es für WEGs wirtschaftlich sinnvoll und auch praktizierbar sein, selbst Solarstrom mit einer eigenen PV-Anlage zu produzieren und diesen untereinander aufzuteilen. Der Vorteil: Hierfür benötige man keine Durchleitung ins öffentliche Stromnetz – da kein Strom ins Netz eingespeist werde –, was Kosten spare und sich die Kosten daher schneller amortisierten als bisher. „Die Energiewende wird an dieser Stelle für Sie viel erlebbarer“, so Jura, da man den selbst produzierten Strom dann beispielsweise für die Heizungsanlage nutzen könne. Dennoch seien bei dem Thema noch nicht alle Fragen gelöst, „die müssen Sie in Ihrer WEG regeln“. Der Gesetzgeber sei hier den Weg gegangen, möglichst wenig regulatorische Vorgaben zu machen.