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25.10.2018. Erhöhen Wärmedämm-Verbundsysteme für Fassaden das Brandrisiko? Diese Frage hört Wohnen im Eigentum e.V. seit dem Brand des Londoner Grenfell Towers im Juni des vergangenen Jahres häufig. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass es nicht die Dämmung war, die als Brandbeschleuniger wirkte. Gerüchte, nach denen der auch an deutschen Wohngebäuden häufig verbaute Dämmstoff Polystyrol zur Katastrophe geführt habe, sind somit nicht haltbar. Denken Sie als Hauseigentümer/in oder Wohnungseigentümergemeinschaft aktuell über eine Fassadendämmung nach, brauchen Sie die Maßnahme also aus Angst vor zusätzlicher Brandgefahr nicht zurückzustellen.

Im Londoner Fall hatten Experten schon kurz nach dem Brand 2017 ermittelt, dass das Feuer über eine außen aufgebrachte Wetterschutzverkleidung aus Aluminium verstärkt wurde. Die Tragkonstruktion hatte sich durch die Hitze verbogen. Durch die klaffenden Fugen konnten Flammen und Sauerstoff, der Zimmerbrände anheizt, rasch und ungehindert ins Innere des Gebäudes dringen. Zudem kam beim Grenfell Tower gar kein Polystyrol, sondern das Dämmmaterial Polyurethan-Hartschaum (PU) zur Anwendung.

„Bewohner und Baufachleute sollten die Feuergefahr durch Dämmung realistisch einschätzen“, rät Frank Hettler von der Initiative Zukunft Altbau, die - gefördert vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg - Wohnungs- und Gebäudeeigentümer neutral über den Nutzen einer energetischen Sanierung informiert. „Gebäudedämmungen bestehen in der Regel aus nicht brennbaren oder nur schwer entflammbaren Materialien." In Deutschland, so Zukunft Altbau, brechen jeden Tag durchschnittlich über 500 Wohnungsbrände aus. Doch nur an jedem 20.000sten Brand sei die Fassade beteiligt.

 

Wohnen im Eigentum e.V. empfiehlt: Unabhängige Beratung beugt einer unsachlichen Diskussion vor

Wenn Sie das Projekt Fassadendämmung angehen, lassen Sie sich am besten zunächst von einer unabhängigen Stelle über die Möglichkeiten und über die Vorschriften für den Brandschutz informieren. Gerade in Eigentümergemeinschaften, in denen die Maßnahme eine Mehrheit bekommen muss, kann so einer unsachlichen, von Ängsten geprägten Diskussion vorgebeugt werden. Die wichtigsten Fakten, die Sie mit einem Energieberater besprechen sollten:

  • Wie hoch ist das Haus? Ist eine Immobilie zwischen 7 und 22 Meter hoch, sind in Deutschland schwer entflammbare Dämmsysteme vorgeschrieben. In höheren Häusern dürfen ausschließlich nichtbrennbare Dämmstoffe wie etwa Glas- oder Steinwolle als Dämmmaterialien eingesetzt werden.
  • Soll bei Häusern bis zu 22 Metern Höhe aus Kostengründen ein günstigeres Wärmedämm-Verbundsystem aus Polystyrol angebracht werden? Es sind in Deutschland nur EPS-Dämmplatten zugelassen, die Flammschutzmittel enthalten. Bei der Auswahl ist also auf bauaufsichtlich zugelassene Systeme zu achten.
  • Für das Flammschutzmittel HBCD gilt seit Frühjahr 2016 in der EU ein weitgehendes Handels- und Verwendungsverbot, da HBCD als in der Umwelt schwer abbaubarer organischer Schadstoff identifiziert wurde. Das Umweltbundesamt verweist auf eine breite Auswahl an alternativen Dämmmaterialien. Eine gute Orientierung bietet der Blaue Engel.
  • Welche Vorschriften sind einzuhalten, um das Risiko zu verringern, dass sich Brände über ein Wärmedämm-Verbundsystem auf der Fassade ausbreiten? In Deutschland muss bei Mehrfamilienhäusern entweder ein sogenannter Sturzschutz aus Stein- oder Mineralwolle über jeder Fensteröffnung (bei vorgesetzten Fenstern auch vertikal) oder alternativ ein Brandschutzriegel angebracht werden, bei dem nach jedem zweiten Stock über den Fenstern ein um das Gebäude laufender Riegel aus nichtbrennbaren Dämmmaterialien verbaut wird.
  • Wie ist die Gesundheitsgefahr durch eine brennende Dämmung einzuschätzen? Zwar können EPS-Dämmplatten tatsächlich nach einiger Zeit bei hoher Temperatur brennen und abtropfen, doch das gilt auch für übliche Inneneinrichtungen mit Möbeln, Bodenbelägen und Textilien, die Kunststoffe enthalten und beim Abbrennen giftige Rauchgase entwickeln. Durch eine brennende Inneneinrichtung sind Bewohner unmittelbarer als durch eine brennende Fassadendämmung gefährdet.

Fazit: Brandgefahr kann somit kein Gegenargument zur Dämmung sein - auch dann nicht, wenn ein Wärmedämm-Verbundsystem aufgebracht wird. Das gilt, solange alle Vorschriften eingehalten werden, es sich um bauaufsichtlich zugelassene Systeme handelt und die Montage fachgerecht erfolgt.

In Sachen Brandgefahr sollten Sie Ihr Augenmerk auf andere Quellen richten - auch darauf weist Zukunft Altbau hin: Brandherd Nummer eins sei die Küche. Hier entstehen aufgrund der Vielzahl elektrischer Geräte die meisten Wohnungsbrände. Neben technischen Defekten und Fahrlässigkeit spiele auch Brandstiftung eine Rolle bei der Entstehung von Feuer. Auch Fahrlässigkeit beim Rauchen oder dem Abbrennen von Kerzen sei eine häufige Brandursache. Fassadendämmungen zählten hingegen nicht zu den häufigsten Brandverursachern.

Weitere Informationen: Zukunft Altbau.