Wohnungseigentümer*innen vor Gericht
Innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann es zu Meinungsverschiedenheiten und Interessenkollisionen kommen, die intern nicht gelöst werden können. Für solche Fälle sieht das Wohnungseigentumsgesetz die Möglichkeit vor, diese Streitigkeit vor Gericht auszutragen. Ebenso wenn es um Auseinandersetzungen mit der Verwalter*in geht.
Zuständig für solche Verfahren ist das so genannte „Wohnungseigentumsgericht“. Das ist eine besondere Abteilung des Amtsgerichtes, in dessen Bezirk sich das Grundstück mit der Wohnungseigentumsanlage befindet. Dieses spezielle Gericht entscheidet bei allen Fragen, die im Zusammenhang mit der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen.
Mit dem neuen Wohnungseigentumsgesetz, das seit 01.12.2020 in Kraft ist, hat sich das System der Klageverfahren grundlegend geändert.
Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümer*innen und der WEG
Seit dem 01.12.2020 ist die WEG Trägerin der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer*innen auf ordnungsmäßige Verwaltung sind nicht mehr gegen die Verwalter*in unmittelbar, sondern gegen die WEG zu richten. Will eine Eigentümer*in die Ausführung einer beschlossenen Erhaltungsmaßnahme durchsetzen, richtet sich der Anspruch gegen die WEG.
Bei der Unterlassung von Störungen ist zu unterscheiden. Störungen ihres Sondereigentums können Wohnungseigentümer*innen nach wie vor selbst geltend machen.
Ansprüche, die einer Eigentümer*in aber nicht allein zustehen, sondern „gemeinschaftsbezogen“ sind, kann nur die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen.
Ein Beispiel für die Unterscheidung: Wird eine Eigentümer*in in ihrer Wohnung durch Lärmbelästigungen gestört, die vom Balkon einer anderen Eigentümer*in ausgehen, könnte sie die andere Eigentümer*in auf Unterlassung unmittelbar in Anspruch nehmen. Die Eigentümer*in kann aber die andere Eigentümer*in nicht allgemein auf Unterlassung jeglichen Lärms oder auf Einhaltung der Ruhezeiten gemäß der Hausordnung in Anspruch nehmen. Es kommt also immer darauf an, ob sich die Störung auf das Sondereigentum auswirkt. Wäre der Lärm also nur im Treppenhaus zu hören, dann wäre nur die WEG berechtigt, die lärmende Eigentümer*in auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.
Macht die WEG einen begründeten Anspruch nicht geltend, muss eine Eigentümer*in zunächst auf einen entsprechenden Beschluss hinwirken. Wird dieser Beschluss abgelehnt, kann die Eigentümer*in durch eine Beschlussersetzungsklage die WEG gerichtlich dazu verpflichten, den Anspruch geltend zu machen.
Beispiele für Ansprüche, die nur die WEG geltend machen kann:
Unterlassung von Störungen des Gemeinschaftseigentums durch Nachbar*innen
Durchsetzung der Hausordnung
Geltendmachung von Hausgeldrückständen
Ansprüche gegenüber Handwerkern bei mangelhafter Durchführung von Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum
Streitigkeiten mit der Verwalter*in
Auch für Streitigkeiten zwischen der WEG und der Verwalter*in ist das Wohnungseigentumsgericht zuständig. Hierunter fallen alle Auseinandersetzungen der WEG über Rechte und Pflichten der Verwalter*in, und darüber, ob sie ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt hat, zum Beispiel ob die Jahresabrechnung stimmt.
Auch Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer*innen gegen die Verwalter*in sollen in die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts fallen. Bisher ist aber ungeklärt, in welchem Umfang solche bisher von der Rechtsprechung entwickelten „Direktansprüche“ noch bestehen. Nach der Gesetzesbegründung sollten zumindest Schadensersatzansprüche der Eigentümer*innen wegen Schäden am Sondereigentum, die Verwalter*innen pflichtwidrig verursacht haben, unmittelbar gegen die Verwalter*in durchsetzbar sein. Ein Teil der bisherigen Rechtsliteratur sieht das anders. Danach soll es solche Ansprüche gar nicht mehr geben und nur die WEG hafte den Eigentümer*innen für Schäden. Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage gibt es bislang nicht. Nach Auffassung von WiE ist es dringend erforderlich, dass die bisherige Rechtsprechung in Anlehnung an die Gesetzesbegründung fortbestehen muss.
Streitigkeiten über Beschlüsse
Das Gericht ist auch für die Überprüfung von Beschlüssen der Eigentümerversammlung zuständig. Dabei prüft das Gericht die Rechtswidrigkeit des jeweiligen Beschlusses nur, wenn die Klage innerhalb eines Monats seit Beschlussfassung beim Gericht eingereicht wird. Wird diese Frist versäumt, so ist eine Überprüfung der Wirksamkeit des Beschlusses nicht mehr möglich, es sei denn, der Beschluss leidet an einem so grundlegenden Mangel, dass er nichtig ist. Dann kann auch nach Ablauf der Monatsfrist noch zur Klarstellung gerichtlich festgestellt werden, dass der Beschluss niemals wirksam werden konnte.
Nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht eine Fristüberschreitung akzeptiert. Zum Beispiel, wenn die jeweilige Wohnungseigentümer*in unverschuldet die Monatsfrist nicht einhalten konnte, etwa weil sie nicht zur Eigentümerversammlung eingeladen worden war. In diesem Fall kann sie – nach Erhalt des Beschlusses - innerhalb von zwei Wochen das Gericht anrufen, muss aber glaubhaft darlegen, dass sie wegen der Fristversäumnis keine Schuld trifft.
Der Antrag auf Anfechtung muss klar erkennen lassen, welche Beschlüsse im Einzelnen angefochten werden sollen. Dabei kann auch die Anfechtung eines bereits durchgeführten Beschlusses sinnvoll sein. Ein Beispiel: Ein Baum im Gemeinschaftseigentum ist gemäß Beschluss bereits gefällt worden. In diesem Fall kann die Aufhebung des Beschlusses durch das Gericht und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes – hier die Neubepflanzung – gefordert werden.
Ein Sonderfall der Streitigkeiten über Beschlüsse ist die Beschlussersetzungsklage. Mit dieser Klageart können Eigentümer*innen gegenüber der WEG mit Hilfe des Gerichts durchsetzen, dass ein abgelehnter Beschluss doch zustandekommt.
Seit der WEGesetz-Reform sind Beschlussklagen immer gegen die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft zu führen. Diese muss also verklagt werden. Hat die WEG eine Verwalter*in, ist sie als gesetzlicher Vertreter für die Zustellung der Klage empfangsbevollmächtigt. Gibt es keine Verwalter*in, kann die Klage an jede Eigentümer*in zugestellt werden.
Zuletzt aktualisiert: 22.06.2021