13.06.2019. Aktuell befasst sich eine Bund-Länder-AG mit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes und will etwa im Sommer ihren Ergebnisbericht mit Reformvorschlägen vorlegen. Wohnen im Eigentum (WiE) hat die Berichterstatter der verschiedenen Fraktionen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, der für die Reform des WEGesetzes federführend ist, befragt. Was MdB Katharina Willkomm (FDP-Fraktion) von der Reform erwartet und wo sie dringend Handlungsbedarf sieht, lesen Sie im Folgenden. 

Als Berichterstatter nehmen sie im Ausschuss in der Regel für ihre Fraktion Stellung, wenn über Vorlagen, zum Beispiel zur WEGesetzreform, beraten wird.

WiE: „Was sollte/n aus Ihrer Sicht das Ziel bzw. die Ziele der Gesetzreform sein und in welchen Bereichen Sehen Sie den größten Reformbedarf?“

Katharina Willkomm: „Der Gesetzgeber muss es hinbekommen, ein zeitgemäßes Update des WEG zu erarbeiten. Das WEG ist gerade mal zwei Jahre jünger als das Grundgesetz. Es ist ein Kind der Nachkriegszeit und damit in vielen Punkten auf eine Realität zugeschnitten, die es so heute nicht mehr gibt. Durch unzählige Gerichtsurteile wurde zwar immer wieder darauf hingewirkt, das WEG handhabbar zu halten. Aber es ist jetzt an der Zeit, die Grundzüge der Rechtsprechung in ein aktualisiertes WEG zu übertragen. Die Rechtsbeziehungen rund um das Wohneigentum müssen wieder durch einen Blick ins Gesetz ablesbar sein. Gerade bei Fragen zur Mitgliederversammlung, der Trennung von Sonder- oder Gemeineigentum und der Kostenverteilung sehe ich dringenden Handlungsbedarf. Außerdem muss die Position des Verwalters klarer geregelt werden.“

WiE: „Ein paar Stichworte: Was müsste aus Ihrer Sicht geändert werden bezüglich baulicher Veränderungen, Eigentümerversammlungen, Verwaltung, Verwaltungsbeirat, Harmonisierung WEG-Recht und Mietrecht?“

Katharina Willkomm: „Die Eigentümerversammlungen bedürfen in mehrerlei Hinsicht einer Überarbeitung. Für mich sind zwei Bereiche besonders wichtig. Zum einen leben wir in Zeiten von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation, des Online-Bankings und der App auf dem Smartphone. Bei der WEG-Versammlung läuft hingegen alles analog – mit den dazugehörigen Papierbergen. Sie können zwar einiges umgehen, zum Beispiel Unterlagen nur zur Einsicht bereithalten, aber das löst das Problem nicht. Hier schreit alles nach Digitalisierung. Es sollte für die WEG möglich sein, alles in einem Intranet zu verwalten. Dort könnten Unterlagen digitalisiert bereitstehen, zum Beispiel die berühmten drei Vergleichsangebote. Ebenso könnten dort Anträge gestellt und gegebenenfalls kommentiert werden. Auf diese Weise wäre alles jederzeit nachvollziehbar. Man könnte auch direkt die Abstimmungen im Intranet durchführen, quasi als virtuelle Versammlung. Außerdem könnte man mal darüber nachdenken, Eigentümer per Videoschaltung zur Abstimmung zuzulassen. Dann müssten die nicht ins Blaue hinein ihre Stimmen übertragen oder wie so oft durch die ganze Republik reisen. Ob und wie das dann technisch umgesetzt wird, bleibt natürlich die Entscheidung der WEG.

Das andere vordringliche Thema betrifft die Abstimmungen an sich. Die unterschiedlichen Abstufungen der geforderten Quoren sind unübersichtlich. Das führt viel zu häufig zu angreifbaren Beschlüssen. Die momentan in § 22 WEG geregelten Abstufungen sind nicht trennscharf genug. Insbesondere das Erfordernis der doppelt qualifizierten Mehrheit hat sich als Stolperfalle herausgestellt und sollte gestrichen werden. Außerdem müsste die Verteilung der Kosten überarbeitet werden. Mögen ursprünglich die Kosten einer baulichen Veränderung auf die Antragsunterstützer begrenzt sein, so trägt die Gemeinschaft die Folgekosten.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft den Verwalter. Die Rechtsprechung hat ihm ein Pflichtenkorsett übergestreift, das sich nur schwerlich im WEG ablesen lässt. Hier braucht es mehr Transparenz, um Pflichtverletzungen vorzubeugen. Es sollte zudem ausgelotet werden, inwieweit ein Verwalter, der nicht zugleich Mitglied der Eigentümergemeinschaft ist, einen Sachkundenachweis braucht. Dass man theoretisch hunderte Wohneinheiten fremder Menschen ohne Vorkenntnisse verwalten darf, erscheint mir angesichts der hohen Werte zu risikoreich.“

WiE: „Sind Sie der Meinung, dass bei der Reform des WEGesetzes auch der Verbraucherschutz mit im Auge behalten oder sogar stark berücksichtigt werden sollte?“

Katharina Willkomm: „Als verbraucherschutzpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion habe ich den Verbraucherschutz natürlich immer besonders im Blick. Verbraucherschutz ist kein Selbstzweck, sondern soll die strukturell schwächere Vertragspartei stärken. Beim Verkauf einer Ferienwohnung von privat zu privat spielt der Verbraucherschutz aus der Situation heraus keine Rolle. Zwei Bürger vereinbaren ein Geschäft und ich halte die Menschen für fähig genug, sich dabei selbst ausreichend um ihre Belange zu kümmern. Wenn sie aber in der Situation sind, dass ein eifriger Vertriebler Wohneigentum verkauft, dann kommt es auf einen wirksamen Verbraucherschutz an. Dann dürfen Prospekte keine irrealen Berechnungen enthalten und der Erwerber muss richtig informiert werden. Wir haben diesbezüglich ein gutes Schutzniveau, vor allem wenn Verbraucherkredite im Spiel sind. Die Rechtsprechung zu Schrottimmobilien hat die Verbraucher immer wieder gestärkt – und das ist auch gut so. Dieser Schutz basiert aber auf verbraucherschützenden Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch und sollte nicht ins Wohnungseigentumsgesetz hineinreformiert werden.“

WiE: „WiE führt gerade eine Umfrage unter Wohnungseigentümern durch um zu erfragen, was die Eigentümer selbst wollen. Was halten Sie davon, die Wohnungseigentümer als direkt Betroffene über das Gesetzgebungsverfahren laufend zu informieren und sogar zu befragen? Oder meinen Sie, dass das Thema für sie zu kompliziert und daher eher eine Sache für Fachleute ist, also in erster Linie Juristen?“

Katharina Willkomm: „Ich halte es für eine gute Sache, die Eigentümer und Verwalter einzubeziehen. Im Moment ist die Reform noch in der Anlaufphase. Das ist der beste Zeitpunkt, sich einzubringen. Bei einem so breiten Thema wie dem Wohneigentum muss man jetzt sicherstellen, dass auch die unterschiedlichen Belange der verschiedenen Eigentümertypen Gehör finden. Egal, ob es um die Doppelhaushälfte geht oder die Wohnung im 1000-Einheiten-Komplex, das WEG soll am Ende für alle Eigentümer praktikable und rechtssichere Vorschriften enthalten. Es ist also genau der richtige Weg, wenn sich die Eigentümer für ihre Belange einsetzen. In der Eigentümergemeinschaft sollte es idealerweise doch genauso sein. Die Eigentümer wissen am besten, wo der Schuh drückt. Die Mitwirkung an der Gesetzgebung geht individuell, ist aber über Vereinigungen leichter. WiE macht da meines Erachtens einen guten Job. Aber auch die anderen Verbände, zum Beispiel der BVI, geben wertvollen Input. Am Ende dieses Prozesses wird dann ein reformiertes WEG stehen, dass alle Interessen zu einem fairen Ausgleich bringt und sich in der Praxis bewähren kann.“

WiE: „Angesichts der wieder erstarkten Klimaschutzdiskussion gibt es politischen Druck aus dem Verkehrs- und Umweltministerium und sicherlich auch von der Autoindustrie, die Schaffung von Ladestationen für E-Autos in Wohnungseigentumsanlagen vorrangig zu regeln. Halten auch Sie dieses Anliegen für wichtig genug, um es vorzuziehen vor eine umfassende Reform des WEGesetzes oder besteht dann die Gefahr, dass eine umfassende Modernisierung des WEGesetzes auf die nächste Legislaturperiode oder sogar auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben wird?“

Katharina Willkomm: „Elektroautos sind ein Schritt in die mobile Zukunft und ein wichtiges Mittel zur CO2-Reduzierung. Der Wunsch etlicher Eigentümer nach einem Hausanschluss zum Schnellladen eines E-Autos ist verständlich und auch begrüßenswert. Die Anschlüsse sind aber mit hohen Kosten verbunden – in Anschaffung und Wartung. Diese wollen die übrigen Miteigentümer oft nicht tragen, denn sie haben vielleicht gar kein Auto. Die notwendige umfassende Reform an dieser Einzelfrage aufzuhängen, wäre aber ein Fehler. Die Ladestationen sind ein Problem, aber bei weitem nicht das wichtigste. Nur weil das E-Auto als Thema medienwirksamer ist, als der reformbedürftige Verwaltungsbeirat, darf sich die Politik nicht nur darauf stürzen. Ich bin dafür, alle Probleme zu adressieren und dann die WEG-Reform aus einem Guss zu schaffen.“

WiE: „Zum Abschluss: Haben Sie selbst eine Eigentumswohnung?“

Katharina Willkomm: „Eine Eigentumswohnung besitze ich nicht. Aber in Berlin bin ich Mieterin einer Eigentumswohnung. Ich erlebe also aus erster Hand, welche Brüche sich daraus ergeben, dass Miet- und WEG-Recht nicht richtig aufeinander abgestimmt sind. Glücklicherweise habe ich keine Hausiere. Mein Vermieter hat also nicht das Problem, die Hausordnung gegen mich und das Mietrecht durchsetzen zu müssen. Das Mietrecht ist strukturell sehr protektiv ausgestaltet. Das WEG hingegen hat prinzipiell immer die Gemeinschaft gleich starker, unabhängiger Eigentümer vor Augen. Die Harmonisierung beider Materien ist noch mal eine ganz eigene Herausforderung und wäre das Sahnetüpfelchen der Reform.“

WiE: „Frau Willkomm, vielen Dank für das Interview.“