Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss am 19. Februar 2024 / Nur SPD-Fraktion setzt sich im Bundestag kritisch mit Gesetzesentwurf auseinander / CDU fordert Änderungen am Quorum / Recht auf digitale Teilnahme an Eigentümerversammlung als Alternative

14.02.2024. Am 19. Februar 2024 wird WiE-Vorständin, Gabriele Heinrich, im Rechtsausschuss öffentlich zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes angehört. Sie wurde auf Vorschlag der SPD-Fraktion als Sachverständige vorgeschlagen. Der Bundestag hatte sich am 18. Januar 2024 in erster Lesung mit der virtuellen Eigentümerversammlung befasst. Geplant ist, dass Wohnungseigentümer*innen mit einer ¾-Mehrheit der abgegebenen Stimmen festlegen können, dass Eigentümerversammlungen künftig für höchstens drei Jahre rein virtuell stattfinden sollen. Dabei ist zu beachten, dass die Eigentümerversammlung immer beschlussfähig ist, unabhängig von der Anzahl der Teilnehmenden. Lediglich die SPD-Abgeordnete Sonja Eichmann kritisierte den Gesetzentwurf der Bundesregierung und sprach sich für ein Recht auf digitale Teilnahme an der Präsenz-Eigentümerversammlung aus. „Die SPD stellt sich hier bisher als einzige Fraktion der Problematik des Themas“, resümiert WiE-Vorständin Gabriele Heinrich die Debatte. „Bündnis 90/Die Grünen wollen den Gesetzentwurf wohl nur durchwinken, die FDP-Bundestagsfraktion hat sich noch nicht positioniert, wird sich aber wohl kaum gegen die Interessen ihres Bundesjustizministers stellen. Die CDU befürwortet - anders als die SPD - die virtuelle Eigentümerversammlung, allerdings mit einer höheren Hürde. Die CSU trägt den Gesetzentwurf mit. Die Interessen der Wohnungseigentümer*innen als Gemeinschaft werden – außer von der SPD – von keiner Fraktion berücksichtigt.

Zu später Stunde hat der Bundestag am 18. Januar 2024 die geplante Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes, welche neben der Privilegierung von Steckersolargeräten auch die vereinfachte Einführung der virtuellen Eigentümerversammlung vorsieht, in erster Lesung beraten. Von der Bundesregierung ist geplant, dass eine virtuelle Eigentümerversammlung bereits mit einer 3/4-Mehrheit beschlossen werden kann – gegen den Willen einer Minderheit. Der Entwurf wurde nun zur Beratung in den Rechtsausschuss überwiesen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), aus dessen Ministerium der Entwurf für das Vorhaben stammt, stellte die geplante Gesetzesänderung vor. Er verteidigte sie gegen Kritik, setzte sich allerdings nicht mit den von verschiedenen Seiten vorgebrachten Gegenargumenten auseinander. „Der Justizminister nimmt die problematischen Folgewirkungen des Gesetzentwurfes nicht in den Blick“, sagt WiE-Vorständin Gabriele Heinrich.

Die geplante Regelung sei ein „konsequenter Modernisierungsschritt“, so Buschmann. Hybride Eigentümerversammlungen hätten den Nachteil, dass sie oft mit hohen Kosten verbunden seien – es müssten Räume und Technik angemietet werden. Heinrich kritisiert: „Die Inklusion von Minderheiten sollte nicht mit dem Argument, es sei zu teuer, vom Tisch gewischt werden. Die Rechte aller einzelnen Wohnungseigentümer*innen müssen beachtet werden.“ Außerdem ist in diesem Zusammenhang erstaunlich, dass das Bundesjustizministerium selbst keine konkreten, statistisch belegbaren Zahlen dazu hat, in wie vielen Fällen für Eigentümerversammlungen Räume angemietet werden müssen, wie oft hybride Versammlungen oder reine Online-Versammlungen durchgeführt wurden und welche Kosten hierfür jeweils entstehen.

Der Bundesjustizminister konstatierte, die rein virtuelle Versammlung sei „eine große Entlastung“ – auch für die Unternehmen, die das betrieben. Buschmann erinnerte daran, dass Verwaltungen häufig mittelständische Unternehmen seien – „die spüren diese Entlastung auch“. Heinrich kritisiert: „Die Wohnungseigentümer*innen, deren Gesetz hier geändert werden soll, haben nicht nach dieser Gesetzesänderung verlangt und sie wurden auch nicht dazu befragt.“ Offenbar habe der Bundesjustizminister die Zielgruppe des Gesetzes gar nicht erst in den Blick genommen. „Buschmann will sein Digitalisierungsprogramm auf Biegen und Brechen durchsetzen, betreibt hier reine Klientelpolitik und entfernt sich damit von der  Position der FDP-Bundestagsfraktion von 2020“, so Heinrich. Damals hatte die FDP noch argumentiert, mit der Übertragung von Unternehmensrecht auf das Wohnungseigentum versuche die Bundesregierung, „das Fundament des Wohnungseigentumsrechts zu untergraben“ -- eine erstaunliche Kehrtwende zum heutigen Tag. Auch die Bundesdelegiertenversammlung der Liberalen Senioren hatte sich gegen die reine Online-Eigentümerversammlung ausgesprochen. Darüber hinaus gab es in weiteren FDP-internen Gremien durchaus Vorbehalte und Kompromissvorschläge zur geplanten Regelung.

Buschmann versuchte in seiner Rede zudem, durch ein Beispiel die Vorzüge der digitalen Versammlung deutlich zu machen. Ältere Wohnungseigentümer*innen könnten sich dann längere Zugfahrten mit dem ICE sparen, so der Minister. Das könnten sie ebenso bei einer hybriden Eigentümerversammlung, das spricht nicht für eine reine Online-Eigentümerversammlung, so Heinrich. Eine Kuriosität dazu: Im Gesetzesentwurf wird die durchschnittliche Reisezeit zu Eigentümerversammlungen auf ganze zehn Minuten geschätzt. Allerdings sind die Zahlen im Gesetzentwurf fiktiv und nur geschätzt, nicht belegt. Statistische Erhebungen oder Studien werden nicht angegeben.

Eichwede (SPD): Bemühungen sollten dahin gehen, Einigkeit und Diskurs in den Wohnungseigentümergemeinschaften zu fördern

Positiv aus Sicht von Wohnen im Eigentum war die Rede der SPD-Bundestagsabgeordneten Sonja Eichmann – die Abgeordnete sprach sich gegen den Entwurf aus. Ihrer Partei sei wichtig, dass „bei allem unerlässlichen Fortschritt alle Menschen mitgenommen werden und ihre Teilhabe an der Gesellschaft gesichert ist“. „Wie der ohnehin meist fragile Zusammenhalt einer WEG gewahrt werden soll, wenn einem Viertel der Mitglieder die Teilhabe an der Eigentümerversammlung genommen wird, erscheint mehr als fraglich“, machte die Sozialdemokratin deutlich. Die von Befürworter*innen der Regelung angebrachte Alternative, einen Vertreter für die Eigentümerversammlung zu benennen, werde der Eigentümerversammlung nicht gerecht, so Eichwede. „Zum einen lebt eine solche Versammlung von dem dynamischen Diskurs. Aus diesem ergeben sich immer wieder neue Themen oder Argumente.“ Aus diesem Grund sei auch die Vertreter-Lösung nicht sachgerecht, da ein Vertreter kaum ausreichend darauf vorbereitet und kaum ausreichend instruiert werden könne. „Die SPD erkennt hier die Bedeutung und den Stellenwert der Eigentümerversammlung als einziges und damit wichtigstes Entscheidungsorgan der WEG an“, stellt Heinrich fest.

Eichwede erinnerte zudem daran, dass es auch Eigentümer*innen gebe, die im sozialen Umfeld keine geeignete Person zur Vertretung oder zur Hilfe bei der Online-Teilnahme haben. „Das Teilnahme- und Stimmrecht kann so nicht in gleich geeigneter Weise abgesichert werden“, mahnte sie.

Zudem, so Eichwede, bestünde – das zeigten verschiedenste Stellungnahmen – in der Praxis gar keine Notwendigkeit für rein virtuelle Versammlungen, da weiterhin Präsenzveranstaltungen bevorzugt würden. Nur wenige Wohnungseigentümer*innen würden überhaupt von hybriden Eigentümerversammlungen Gebrauch machen, weil die kritische Masse an Fürsprechern nicht erreicht werde.

SPD: Recht auf digitale Teilnahme an der Eigentümerversammlung als inklusive Alternative

Als Alternative zum Gesetzesentwurf sprach Eichwede sich – wie auch von WiE bereits vorgeschlagen – für ein Recht auf digitale Teilnahme aus. So habe jeder das Recht, online teilzunehmen, die Präsenzveranstaltung bleibe aber erhalten. Das käme auch denjenigen entgegen, die aus dem Ausland oder von zuhause teilnehmen möchten, da sie keinen Beschluss mehr für die hybride Sitzung bräuchten. Diese Regelung würde gleichzeitig die Rechte derjenigen wahren, die vor Ort teilnehmen und persönlich Argumente austauschen wollen – „im Gegensatz zur geplanten Rechtslage, nach der diese Eigentümer einfach überstimmt werden könnten“.

Den von Buschmann vorgebrachten Vergleich mit der Aktionärsversammlung kritisierte Eichwede dahingehend, dass dieser Vergleich hinke. Die WEG sei „vor allem ein soziales Konstrukt“, das der gemeinschaftlichen Gestaltung des Zusammenlebens diene. „Einen Ausschluss von Minderheiten daran zu erleichtern, ist nicht in unserem Interesse und wird nicht unterstützt.“ Vielmehr sollten die Bemühungen dahin gehen, Einigkeit und Diskurs zu fördern.

Bayram (Bündnis 90/Die Grünen): Virtuelle Eigentümerversammlung „kostengünstig“

Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram berichtete zunächst davon, dass sich zahlreiche Wohnungseigentümer*innen bei ihr gemeldet hätten – mit der Besorgnis, dass Eigentümer*innen ohne Internetzugang von den Versammlungen ausgeschlossen werden könnten. Und das erscheine „zunächst durchaus beachtlich“. Immerhin würden auf den Versammlungen auch Beschlüsse gefasst, die die einzelnen Eigentümer*innen mit vielen tausend Euro belasten könnten.

Dennoch ließen sich die Grünen letztlich von anderen Aspekten überzeugen, machte Bayram deutlich: „Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Versammlung kann von Räumlichkeiten unabhängig und somit kostengünstig stattfinden.“ Das Ministerium selbst hat dagegen in der Gesetzesbegründung dargelegt, dass es valide Daten zu der Kostenfrage gar nicht gibt – als Grundlage dienen lediglich Schätzungen. „Es werden lediglich hypothetische Annahmen aufgestellt, ohne statistische Belege und ohne wissenschaftliche Studien vorzulegen“, macht Gabriele Heinrich deutlich, „doch die Grünen schauen leider bislang darüber hinweg“.

Bayram versuchte, die Regelung auch mit einem Umweltschutz-Argument zu unterfüttern: Weite Anreisen nicht antreten zu müssen, sei „übrigens nicht zuletzt auch für die Umwelt gut“, sagte sie. „Dieses Argument ist weit hergeholt“, so Heinrich.

Aus Sicht der Grünen sei es zudem, so Bayram, „in heutigen Zeiten doch sehr unwahrscheinlich, dass eine Person zwar über eine Eigentumswohnung verfügt, aber keinerlei Möglichkeit hat, an einer Versammlung im Internet teilzunehmen“. Demgegenüber stehen Studien der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). Die BAGSO hatte bereits 2022 festgestellt, dass 16 Prozent der älteren Generation ohne Internet lebt. Von Altersdiskriminierung seien zudem nicht nur Menschen betroffen, die kein Internet haben, sondern auch diejenigen, deren digitale Kompetenzen für die oft komplexen Anforderungen nicht ausreichen.

WiE erwartet, dass sich auch die Grünen noch mit der Komplexität der Probleme und Folgewirkungen dieses Gesetzentwurfes eingehender auseinandersetzen.

Luczak (CDU): Mit Online-Eigentümerversammlung mehr Partizipation möglich

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU) beteuerte, die „Rechte von Minderheiten sollen gewahrt bleiben“. Dennoch befürworte er die geplante Regelung, wenn auch mit Änderungen. Seine Fraktion glaube, dass „mit einer Online-Eigentümerversammlung ein Mehr an Partizipation“ möglich sei. Viele ältere Menschen würden nicht am Ort der Immobilie leben. Auf die hybride Eigentümerversammlung, die diese Menschen ebenfalls einbeziehen würde, ohne andere auszuschließen, ging Luczak allerdings erst gar nicht ein.

Der CDU-Abgeordnete sprach sich dafür aus, festzulegen, dass bei dieser wichtigen Entscheidung, ob eine rein virtuelle Eigentümerversammlung eingeführt werden soll, immer das Kopfprinzip gelten solle. Das bedeutet, dass jede Wohnungseigentümer*in bei der Abstimmung eine Stimme hat. Die Anzahl der Wohnungen oder der Miteigentumsanteil spielen dann keine Rolle. Damit würden auch andere Abstimmungsregeln in der Gemeinschaftsordnung durch das Kopfstimmrecht bei der Entscheidung über die Einführung der virtuellen Versammlung ersetzt. Das könne verhindern, dass Eigentümer*innen, die mehr Wohnungen oder Miteigentumsanteile haben, einen größeren Einfluss auf die Abstimmung nehmen können.

Hier weicht Dr. Luczak, der mit einer Kleinen Anfrage das Gesetzgebungsverfahren angestoßen hat,  etwas von seiner ursprünglichen Haltung ab. Trotzdem bleibt er bei seiner unternehmerfreundlichen Position – und nimmt damit in Kauf, dass die WEGs gespalten werden.

Mayer (CSU): Rechtliche Bedenken ausgeräumt

Stephan Mayer, Abgeordneter der CSU aus Altötting, einem ländlichen Wahlkreis, in dem das Wohnungseigentum sicherlich kein sehr relevantes Thema ist, konstatierte schlicht, der Entwurf sei ein „notwendiger Schritt, deren rechtliche Bedenken ausgeräumt“ seien – eine steile These, so WiE. Auf die konkrete öffentliche Kritik von vielen Verbänden und Fachjuristen[1] zu der geplanten Regelung ging Mayer gar nicht erst ein. Die Regelung „schließe eine Lücke im digitalen Zeitalter“ und gebe den Eigentümergemeinschaften mehr Raum und Flexibilität. Ein relatives Quorum von drei Vierteln diene insbesondere auch dem Minderheitenschutz, so Mayer. „Aus diesen Behauptungen könnte man schließen, dass er Wohnungseigentümergemeinschaften, ihre Probleme und ihre Interessen nicht näher kennt – und somit auch die problematischen Folgen einer entsprechenden Gesetzesänderung nicht einschätzen kann“, kommentiert Heinrich.

Hennig-Wellsow (fraktionslos, ehemals Die Linke): Eigentümerversammlungen mit „solidarischen Lösungen“

Die fraktionslose Abgeordnete Hennig-Wellsow gab zu, „begründete Bedenken, was die Teilhabe von nicht so technikaffinen Menschen und von Menschen, die sich die notwendigen technischen Geräte nicht leisten können, betreffe, zu haben“. Dennoch sei sie überzeugt, dass die WEGs zu „solidarischen Lösungen“ kommen könnten – mit Nachbarschaftshilfe. 

„Auf Nachbarschaftshilfe gibt es keinen Rechtsanspruch“, so Heinrich. Eigentümer*innen zu Bittstellern zu machen, weil sie sonst ihre Rechte nicht ausüben können, sei ein eigentümlicher Ansatz bei der Begründung des Gesetzesvorhabens und werde dem Verbraucherschutz nicht gerecht.

Fazit: Viel Beratungsbedarf bei Abgeordneten

Die erste Debatte im Bundestag hat gezeigt, dass es noch viel Beratungsbedarf gibt. Einige Abgeordnete brauchen vielleicht noch Zeit zur Einarbeitung – da es aufgrund politischer Entwicklungen in Hessen auch Wechsel bei den Berichterstattern der Fraktionen gegeben hat beziehungsweise andere sich im nachgeholten Berliner Bundestagswahlkampf befinden. Zudem entsteht der Eindruck, dass eine vertiefte differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema in den meisten Fraktionen noch nicht stattgefunden hat. Wohnen im Eigentum sucht daher aktiv das Gespräch und wird sich zu diesem Thema mit den Bundestagsabgeordneten weiter austauschen, um die Interessen der Wohnungseigentümer*innen in den Fokus zu rücken. Nach der öffentlichen Expertenanhörung am 19. Februar 2024 geht das Thema für die abschließende Beratung wieder in den Bundestag.

Die ausführliche Kritik von WiE an der geplanten Gesetzesänderung und weitere Infos, unter anderem die WiE-Stellungnahme zum Gesetzentwurf, finden Sie auf der Themenseite „Streitpunkt: Reine Online-Eigentümerversammlung

Siehe Plenarprotokoll vom 18.1.2024 ab Seite 18794 (Marco Buschmann, BMJ) sowie 18795 (Dr. Jan-Marco Luczak, MdB) 18851 sowie  Anlage 18 – Reden von Sonja Eichwede, MdB (SPD); Stephan Mayer, MdB (CDU); Canan Bayram, MdB (Bündnis 90/Die Grünen); Susanne Hennig-Wellsow, MdB (fraktionslos)

 

[1] ZMR, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Nr. 10/2022, Umschlagseite 2 und 3