So entstehen neue Luxus-Penthäuser über den Köpfen der Eigentümer hinweg / Skandal: Kein Mitspracherecht zur Durchführung der Baumaßnahme / Interessen der Wohnungseigentümer im WEGesetz nicht genügend geschützt

04.06.2019. Wie ein Investor in München per Dachaufstockung neue Luxus-Penthäuser schaffen möchte, erzählt hier ein WiE-Mitglied und Wohnungseigentümer. Er  bemängelt, dass die Interessen der Eigentümer durch das Wohnungseigentumsgesetz nicht genügend geschützt werden und seine WEG faktisch keine Mitspracherechte bei der Bauausführung und der Beseitigung auftretender Schäden hat. Lesen Sie hier seinen Erfahrungsbericht.

„Unsere heutige Wohnungseigentumsanlage in München mit rund 200 Wohneinheiten (Baujahr 1978/79) war ursprünglich ein Mietobjekt einer großen Versicherungsgesellschaft und wurde 2007 an  einen großen Immobilieninvestor verkauft. Dieser teilte die Anlage in Wohnungseigentum auf und veräußerte ab 2010 die einzelnen Einheiten. Ich kaufte auch eine Wohnung, nachdem ich hier mehr als 30 Jahre zur Miete gewohnt hatte.

In der Teilungserklärung behielt sich die teilende Eigentümerin das Recht vor, „durch Aufstockung und Ausbau der Dachgeschosse der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude und durch Bildung von zusätzlichen neuen Wohnungseinheiten weiteres Wohneigentum zu schaffen“. Das Aufstockungsrecht wurde inzwischen mehrfach veräußert – zuletzt an eine Objektgesellschaft eines Projektentwicklers. Auf den bestehenden 20 Häusern unserer WEG sollen nun 27 Luxus-Penthäuser neu gebaut und verkauft werden, für circa 10.000 bis 12.000 Euro/Quadratmeter.

Wir haben grundsätzlich kein Problem damit, dass Wohnungen aufgestockt werden – wir haben ja vor dem Kauf die Teilungserklärung gelesen. Bei der Beurkundung unseres Kaufvertrags sagte uns damals die teilende Eigentümerin, dass wir, wenn überhaupt, mit maximal fünf bis sieben Wohnungen durch Dachaufstockung rechnen könnten, es sei allerdings unwahrscheinlich, dass es dazu komme. Doch jetzt mussten wir erkennen, was wir da eigentlich unterschrieben haben: In der Teilungserklärung ist nicht eingeschränkt, was an welcher Stelle aufgestockt werden darf, und der Aufstockungsvermerk gilt unbefristet. Wir  Bestands-Eigentümer müssen uns also darauf einstellen, dass zu unserer WEG bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag noch weitere Wohnungen dazukommen.

Diese mangelnde Bestimmtheit des Aufstockungsrechtes in der Teilungserklärung bemängeln wir Eigentümer stark. Wir finden, so etwas dürfte laut Wohnungseigentumsgesetz nicht zulässig sein – und es müsste eine Möglichkeit geben, dass ein Gericht solche unbestimmten Klauseln ohne langwierige und teure Verfahren prüft und für nichtig erklärt. Hinzu kommt bei uns: Seit Herbst 2018 wird eine Musterwohnung gebaut, die aber immer noch nicht fertiggestellt ist, da es immer wieder zu Problemen am Bau kommt. Die Aufstockung scheint bautechnisch schwierig zu sein.

Im Zuge des Baus der Musterwohnung sind durch Wassereintritte bereits größere Schäden am Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum entstanden. Wir befürchten, dass weitere Schäden auf uns zukommen, wenn erst einmal die anderen Wohnungen gebaut werden. Wir können überhaupt nicht abschätzen, wie hoch die Schäden dann möglicherweise ausfallen werden.

Um möglichst weitere Schäden zu vermeiden bzw. diese auch genau zu dokumentieren, hat unsere WEG auf eigene Kosten einen vereidigten Bausachverständigen beauftragt. Er überwacht jetzt den Umbau vor Ort. In unseren Kaufverträgen ist zwar ausdrücklich vermerkt, dass bei Aufstockung und Ausbau der Dachgeschosse die Kosten der Wiederherstellung des früheren oder eines gleichwertigen Zustandes des dabei betroffenen Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums der Ausbauberechtigte trägt. Unsere WEG könnte von der aufstockenden Objektgesellschaft sogar eine Wiederherstellungsbürgschaft anfordern, so ist es im Kaufvertrag vermerkt. Wir haben diesbezüglich bei der Firma bereits angefragt – und bekamen die lapidare Antwort, dass unsere WEG diese Bürgschaft zwar anfordern könnte, aber nicht bekommen würde. Werden also alle Schäden am Ende des Tages wirklich vom Investor ersetzt? Wir befürchten eher, dass hier unendlicher Rechtsstreit entsteht mit negativen Konsequenzen für die Bestandseigentümer.

Natürlich hätte unsere WEG die Möglichkeit, gegen den Investor juristisch vorzugehen, indem wir schon die Formulierung in der Teilungserklärung in Bezug auf die Dachaufstockung anfechten, da diese aus unserer Sicht gegen das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot verstößt (siehe BGH,  Az. V ZR 125/11, 20.1.2012). Das Prozessrisiko ist  nicht abzuschätzen. Sollte die WEG in diesem Gerichtsverfahren  unterliegen und von der aufstockenden Firma für den entgangenen Gewinn des Unternehmens in Regress genommen werden, würde dies die meisten von uns finanziell ruinieren.

Hier in München macht das Modell, Luxuswohnungen durch Dachaufstockungen auf bestehenden Gebäuden zu schaffen, derzeit Schule. Wir kennen mehrere ähnliche Fälle – unsere WEGs tauschen sich immer wieder aus – und auch dort kommt bzw. kam es im Zuge der Dachaufstockung zu Schäden, meist durch Wassereintritt, womit die Eigentümer zu kämpfen haben bzw. hatten. Dass die bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft bei einer nachträglichen, in der Teilungserklärung verankerten Dachaufstockung somit faktisch kein Mitspracherecht zur Durchführung der Baumaßnahmen bekommt und evtl. auf größeren Schäden „sitzen bleibt“, ist ein Skandal. Das WEGesetz müsste so etwas verhindern.“

Hinweise und Tipps von WiE:

  • Prüfen Sie vor dem Kauf einer Eigentumswohnung den Kaufvertrag und die Teilungserklärung auch in Bezug auf einen möglichen Dachausbau bzw. eine mögliche Dachaufstockung. Ein allgemeiner Vorbehalt des teilenden Eigentümers oder eines Miteigentümers, das Dach auszubauen oder aufzustocken, ohne konkrete Angaben (bei einer größeren Wohnungseigentumsanlage wo genau und wann), sollten Sie nicht akzeptieren. Lassen Sie die Kaufunterlagen von einem WiE-Experten auch auf weitere mögliche Fallstricke überprüfen. Nähere Informationen zur Vertragsprüfung finden Sie hier.
     
  • Im Zuge der Reform der Wohnungseigentumsgesetzes fordert WiE, die Möglichkeit einer Feststellungsklage der WEG bezüglich der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung zu schaffen. Diese Forderung werden wir noch weiter entwickeln.