04.03.2021. Die WEG von Doris P. hatte im vergangenen Jahr zwei Eigentümerversammlungen – und diese fanden virtuell mithilfe eines Videokonferenzsystems statt. Im Folgenden schildert sie ihre Erfahrungen. Lesen Sie auch die Hinweise von WiE zu reinen Online-Versammlungen.

„Wir sind in unserer WEG zwölf Eigentümer, zehn davon bewohnen ihre Wohnung selbst. Im vergangenen Jahr hatten wir aufgrund der Corona-Pandemie zwei virtuelle Eigentümerversammlungen (eine ordentliche und eine außerordentliche), die unsere Verwaltung über das Programm „Microsoft Teams“ durchgeführt hat. Zuvor hatten wir mit ihr schriftlich festgehalten, dass die Versammlungen stattfinden können. Ob das wirklich so rechtens war, kann ich nicht sagen, es hat aber im Nachhinein niemand die Beschlüsse angefochten (und einige Beschlüsse waren sehr dringlich!).

Jetzt nach der neuen Rechtslage können wir ja beschließen, dass sich Eigentümer online zuschalten dürfen. Das werden wir wohl auch tun. Vielleicht sitzt dann irgendwann die Verwaltung allein da mit einer/m Eigentümer/in der WEG und alle anderen kommen nur virtuell.

Insgesamt ziehen wir ein positives Fazit unserer Online-Versammlungen. Gerne möchte ich unsere Erfahrungen mit anderen Wohnungseigentümern teilen:

  • Unsere ordentliche Eigentümerversammlung dauerte online deutlich kürzer als gewöhnlich. Nach ca. 3 Stunden waren wir mit allen Tagesordnungspunkten durch, normalerweise dauert die Versammlung ca. 5 Stunden. Die Kommunikation über den Bildschirm erfordert eine höhere Aufmerksamkeit und ist anstrengender. Daher wird vermutlich in den meisten Fällen nach etwa drei Stunden am Bildschirm Schluss sein.
  • Die Versammlungen liefen deutlich konzentrierter und fokussierter ab, unter anderem da keine Privatgespräche mit dem Sitznachbarn möglich sind; wir waren sozusagen alle richtig „bei der Sache“.
  • Alle – die Verwaltung und die Eigentümer – müssen sehr gut vorbereitet sein (besser als bei der klassischen VorOrt-Versammlung), da die Sitzung insgesamt kürzer dauert und lösungsorientierter abläuft.
  • Die Verwaltung muss strukturiert durch die Versammlung führen.
  • Wir hatten ein schriftliches Skript, das schon vorher zugesandt worden war und in der Sitzung „abgearbeitet“ wurde. Die Beschlussfassung lief dann problemlos ab. Die Beschlussformulierungen lagen als Vorschlag vor, konnten aber natürlich umformuliert werden. Abgestimmt haben wir, indem jede/r seine/ihre Stimme schriftlich im Chat eingegeben hat, was für alle sichtbar war. Der Beschluss samt Stimmenverteilung wurde dann verkündet.
  • Ein Nachteil, den ich festgestellt habe: Es gab deutlich weniger Wortmeldungen von Miteigentümern als sonst – dies liegt aber vielleicht daran, dass der Großteil der Eigentümer in unserer WEG schon älter ist und sich nicht getraut hat bzw. unsicher war, sich in der Videokonferenz zu äußern. Grundsätzlich ist auch über die Videotelefonie ein guter Austausch möglich.

Insgesamt gesehen, denke ich, sollte jedoch auch die direkte Kommunikation in einer WEG nicht zu kurz kommen. Im Sommer haben wir eine „interne, informelle Versammlung“ ohne die Verwaltung im Garten abgehalten. Dort haben wir Gemeinschaftsaufgaben verteilt und konnten über viele Dinge offen sprechen, da wir Eigentümer unter uns waren. Das kam sehr gut an. Danach haben einige Miteigentümer angeregt, immer eine „interne“ Versammlung vor der eigentlichen Eigentümerversammlung durchzuführen – damit wir uns ausführlich austauschen und gut vorbereiten können. Ich halte das für eine sehr gute Idee und dies ist auch gut machbar, da unsere WEG klein ist.“

Hinweise von WiE:

Reine Online-Eigentümerversammlungen sind auch nach dem neuen Wohnungseigentumsgesetz nicht zulässig. Wenn Ihre WEG diese dennoch, wie in diesem Erfahrungsbericht geschildert, durchführt, ist das nicht rechtssicher und es besteht das Risiko, dass Miteigentümer in der Versammlung gefasste Beschlüsse anfechten. Diese könnten möglicherweise sogar nichtig sein.

Das neue WEGesetz ermöglicht die digitale Zuschaltung von Eigentümern zur Eigentümerversammlung (dies muss die WEG allerdings zunächst beschließen), die aber nach wie vor eine Präsenzveranstaltung sein muss. Es wird nach wie vor vom Gesetz vorausgesetzt, dass die Versammlung an einem realen und nicht virtuellen Ort stattfindet und Eigentümer zumindest die Möglichkeit haben, körperlich anwesend zu sein.

Klar ist deshalb, dass WEGs nicht mit (Mehrheits-)beschluss regeln dürfen, dass Versammlungen nur noch virtuell stattfinden (reine Online-Versammlung). Dem steht der Wille des Gesetzgebers eindeutig entgegen, wonach die Minderheit nicht gezwungen werden kann, auf die Möglichkeit der körperlichen Anwesenheit in einem Versammlungsraum zu verzichten.

Ob eine reine Online-Versammlung durch eine Vereinbarung geregelt werden kann, d.h. ob die Eigentümer allstimmig die Zulässigkeit einer solchen Versammlung künftig vereinbaren können, bleibt abzuwarten, ist wegen der bisherigen Unklarheiten derzeit nicht rechtssicher und nicht empfehlenswert.