Reine Online-Eigentümerversammlung schon mit einer ¾ Mehrheit? / Wohnen im Eigentum: Änderung im Wohnungseigentumsgesetz zu Lasten der Wohnungseigentümergemeinschaften und der Wohnungseigentümer*innen / Kritik bleibt bisher unbeachtet

13.07.2023. Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) lehnt die geplante Änderung im Wohnungseigentumsgesetz entschieden ab, nach der Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) künftig Eigentümerversammlungen nur noch online (= virtuell) durchführen können, wenn eine 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen dies beschließt. Diese Gesetzesänderung sieht ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) vor, zu dem WiE aktuell seine Stellungnahme abgegeben hat. Als Vorbild für die Neuregelung dient die virtuelle Aktionärsversammlung. WiE führt eine Vielzahl an gewichtigen Argumenten gegen diese Änderung an und stellt nach ausführlicher Prüfung fest, dass dieser Entwurf nicht die Qualität hat, in den Bundestag eingebracht zu werden. Hier sollen einseitig Interessen der Verwalterverbände umgesetzt werden.

WiE stellt in seiner Prüfung und Bewertung des Referentenentwurfs im Hinblick auf die reine Online-Eigentümerversammlung fest, dass diese Gesetzesänderung qualitativ unzureichend ist. Die Notwendigkeit dieser Gesetzesänderung wird mit einem unspezifischen und quantitativ nicht belegten Bedarf erklärt. Die Gesetzesänderung ist nur halbherzig – d.h. zur Hälfte - aus dem Aktiengesetz abgeschrieben. Der Begründungstext ist wenig substanziell.

Ziele und Gründe des Referentenentwurfs müssen hinterfragt werden

Die dort aufgeführten Ziele werden nicht erreicht werden: Mit dieser Gesetzesänderung will das BMJ das Wohnungseigentumsrecht vereinfachen, die Nachhaltigkeit fördern und Zeit und Kosten für alle Beteiligten einsparen helfen. Diese Ziele werden nur pauschal in den Raum gestellt. „Was die reine Eigentümerversammlung mit der Förderung von Nachhaltigkeit zu tun hat, wird nicht erläutert. Die Kosteneinsparungen sind rein hypothetisch über den Daumen gepeilt und mit dieser einen Regelung eine Vereinfachung des Wohnungseigentumsrechts vornehmen zu wollen, wirkt anmaßend.“ kritisiert Gabriele Heinrich, Vorständin des Verbraucherschutzverbandes Wohnen im Eigentum.

Wichtige Argumente gegen die Einführung einer reinen Online-Eigentümerversammlung

Die schon mehrfach von WiE dargelegten Gegenargumente sind:

  • Es gibt bereits jetzt die Möglichkeit, dass WEGs mit einfacher Mehrheit hybride Eigentümerversammlungen beschließen und durchführen. Das sind Präsenzversammlungen mit der Möglichkeit der Online-Teilnahme und wird von WiE ausdrücklich befürwortet.
  • Die Gesetzesänderung wird zu einer Einschränkung der Kernrechte der Wohnungseigentümer*innen führen. Dazu gehören Rede-, Frage-, Beschlussantragstellungs- und Stimmrecht.
  • Es besteht die große Gefahr der Ausgrenzung älterer, technikferner und bildungsbenachteiligter Eigentümer*innen.
  • Statt der Förderung der „Gemeinschaft“ der Eigentümer*innen wird hier die Spaltung der Wohnungseigentümergemeinschaften befördert.
  • Eigentümerversammlungen können nicht mit Aktionärsversammlungen gleichgesetzt werden. Wohnungseigentümer*innen tragen höhere finanzielle Risiken als Aktionäre. (s.a. Pressemitteilung WEG: Gleichstellung mit Aktionärsversammlung ist fehl am Platz)

Die geplante Erweiterung der privilegierten Maßnahmen im Wohnungseigentumsgesetz um die Installation von Steckersolargeräten wird unterstützt und ist überfällig. Allerdings ist der Energiegewinn damit zu minimal, um dafür einen eigenständigen Gesetzentwurf zu rechtfertigen. Entweder sollte dieser Referentenentwurf um weitere gesetzliche Änderungen für die Durchführung der Energie- und Wärmewende in den WEGs ergänzt und die Regelungen zur Eigentümerversammlung gestrichen werden – u.a. die Privilegierung von PV-Anlagen auf Dächern zur Förderung der E-Mobilität - , oder der Entwurf ist zurückzuziehen und die Steckersolargeräte können im Solarpaket-Gesetz als spezieller Artikel für das WEGesetz mit aufgenommen werden.

Die Gemeinschaft stärken statt einseitige Interessen umsetzen

Trotz langjähriger Diskussionen und Bemühungen um eine bessere Gesetzgebung wächst die Kritik an der Qualität der Gesetze in Deutschland. Jüngstes Beispiel ist diese geplante Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes. Die Bundesbürger und in diesem Fall die Wohnungseigentümer erwarten vom Gesetzgeber nachvollziehbare, praktikable, partizipative, integrative, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stärkende Gesetzesentwürfe. Gesetze, die einseitig von den Dienstleistern der WEGs, den Verwaltern initiiert werden und einseitig deren Interessen nachkommen, können nicht akzeptiert werden.

Mit solchen einseitigen Gesetzentwürfen wird das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Bundesjustizministeriums erschüttert, die Glaubwürdigkeit politischen Handelns in Frage gestellt und die Politikverdrossenheit der Bürger gefördert.

Dieses Niveau müsste nicht nur die FDP-Bundestagsfraktion bewegen, auch zu diesem Entwurf 101 Fragen zusammenzustellen, sollte er dem Bundestag vorgelegt werden.

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Weitere Informationen:

Analysen und Argumente unter Streitpunkt: Reine Online-Eigentümerversammlung.

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz

WiE-Stellungnahme vom 7. Juli 2023