13.3.2024. Während der Corona-Pandemie waren Eigentümerversammlungen in Präsenz, also vor Ort, lange Zeit nicht zulässig. Daher führten manche Verwalter*innen sogenannte Vertreterversammlungen durch – das heißt, die Eigentümer*innen ließen sich durch Vollmachten an die Verwalter*in vertreten und die Verwalter*in führte die Versammlung alleine durch. Der BGH hat nun entschieden, dass in solchen Versammlungen gefasste Beschlüsse nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar sind.

Beschlüsse, die während der Corona-Pandemie gefasst wurden, sind nicht deshalb nichtig, weil die Wohnungseigentümer*innen an der Eigentümerversammlung nur durch Erteilung einer Vollmacht an den Verwalter teilnehmen konnten, urteilte vor kurzem der Bundesgerichtshof (Urteil vom 08.03.2024, Az. V ZR 80/23).

Im verhandelten Fall hatten Eigentümer*innen einer WEG geklagt. Deren Verwalterin hatte am 24. November 2020 zu einer Eigentümerversammlung eingeladen, verbunden mit der Aufforderung an die Wohnungseigentümer*innen, eine Vollmacht und Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen. 5 von 24 Eigentümer*innen kamen dem nach. In der Eigentümerversammlung war nur die Verwalterin anwesend und fasste mithilfe der Vollmachten mehrere Beschlüsse. Anschließend übermittelte sie ein Protokoll über die gefassten Beschlüsse. Die Kläger hatten keine Vollmacht erteilt. Sie erhoben Beschlussmängelklage, allerdings erst nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist.

Das Amtsgericht Frankfurt wies die Beschlussmängelklage wegen Fristablauf ab. Das Landgericht Frankfurt am Main erklärte in zweiter Instanz die Beschlüsse für nichtig, da das individuelle Recht eines jeden Eigentümers auf persönliche Teilnahme an einer Versammlung verletzt worden sei. Der BGH hob jetzt dieses Urteil auf und stellte die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt wieder her.

BGH: Vertreterversammlung im Interesse der Wohnungseigentümer*innen

Der BGH argumentiert: Die Verwalterin habe zwar die Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes außer Acht gelassen, wonach eine Vertreterversammlung nur dann zulässig ist, wenn sämtliche Wohnungseigentümer*innen in ein solches Vorgehen eingewilligt und die Verwalter*in zur Teilnahme und Stimmabgabe bevollmächtigt haben. Es hätte also eigentlich eine Versammlung in Präsenz stattfinden müssen. Allerdings seien die in der Vertreterversammlung gefassten Beschlüsse trotzdem gültig.

Denn ein Beschluss ist nur dann nichtig, wenn er gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt. Das betrifft regelmäßig den Inhalt von Beschlüssen. Beim vorliegenden Fall der Vertreterversammlung ging es allerdings lediglich um das Zustandekommen der Beschlüsse, insbesondere um Formvorschriften, die nicht zu den zwingenden Bestimmungen und Grundsätzen des Wohnungseigentumsgesetzes gehören. Die Nichteinladung einzelner Wohnungseigentümer führt deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse. Für eine Anfechtungsklage war in dem konkreten Fall allerdings die Frist bereits abgelaufen.

„Während der Corona-Pandemie befand sich der Verwalter in einer unauflöslichen Konfliktsituation. Er stand nämlich vor dem Dilemma, entweder das Wohnungseigentumsrecht oder das Infektionsschutzrecht zu missachten“, heißt es in dem Urteil des BGH. In dieser Ausnahmesituation sei die Durchführung einer Vertreterversammlung regelmäßig aus Praktikabilitätserwägungen erfolgt, was auch im Interesse der Wohnungseigentümer*innen gelegen habe.

Fazit für Sie als Wohnungseigentümer*innen: Beschlüsse aus solchen Vertreterversammlungen gelten, soweit sie nicht fristgemäß angefochten wurden. Sollten Sie mit dem Inhalt der Beschlüsse nicht einverstanden sein, müssen Sie erreichen, dass darüber ein neuer, abändernder Zweitbeschluss gefasst wird.

Aus Sicht von WiE ist die Entscheidung nachvollziehbar. „Der BGH hat hier eine pragmatische Entscheidung getroffen, um Rechtssicherheit zu schaffen“, sagt WiE-Rechtsreferent Michael Nack.