07.02.2023. Kommt es in einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu einem Schaden am Gebäude, müssen alle Eigentümer*innen die Selbstbeteiligung (Selbstbehalt) gemeinsam aufbringen, sofern eine solche im Versicherungsvertrag vereinbart ist – unabhängig davon, ob der Schaden am Sonder- oder Gemeinschaftseigentum aufgetreten ist. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil klargestellt.

Folgender Rechtsstreit lag dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Entscheidung vor (Urteil vom 16.09.2022, Az. V ZR 69/21): In einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die neben Wohnungen auch eine Gewerbeeinheit umfasst, kam es in einigen Wohnungen immer wieder zu Leitungswasserschäden, die sich allein im Jahr 2018 auf rund 85.000 Euro beliefen.

Die Ausgaben für die Selbstbeteiligung (Selbstbehalt), die von der Versicherung wegen der Schadenshäufigkeit auf 7.500 Euro pro Schadensfall erhöht hatte, wurden von der Verwaltung nach Miteigentumsanteilen auf alle Eigentümer*innen umgelegt. Damit war die Eigentümerin der Gewerbeeinheit aber nicht einverstanden – da die Schäden ausschließlich in Wohnungen und nicht in der Gewerbeeinheit aufgetreten sind. Sie war der Meinung, die Selbstbeteiligung müsse allein auf das betroffene Teileigentum, also auf die betroffenen Wohnungen, umgelegt werden – und versuchte, mit einer Beschlussersetzungsklage eine Änderung der Regelung zu erzwingen. Dies war aber in allen Instanzen erfolglos.

Verteilung nach Miteigentumsanteilen entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung

Der BGH hat in seinem Urteil klargestellt, dass die Verteilung der Selbstbeteiligung in einer verbundenen Gebäudeversicherung auf alle Sondereigentumseinheiten ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Bei der Wohngebäudeversicherung ist die rechtsfähige WEG Versicherungsnehmerin, versichert ist das Gebäude. Im Verhältnis zur Versicherung ist es deshalb ohne Bedeutung, ob der Schaden im Gemeinschafts- oder Sondereigentum liegt, so die Argumentation des BGH.

Die Begründung: Die Gemeinschaft hat eine Selbstbeteiligung mit der Versicherung vereinbart, um die jährlichen Versicherungsbeträge niedriger zu halten. Davon profitieren alle Wohnungseigentümer*innen – und daher müssen sich auch alle an der Selbstbeteiligung beteiligen. Außerdem ermöglicht die Selbstbeteiligung die Fortführung der Versicherungsvertrages – wenn es zu Schäden kommt –, wovon ebenfalls alle Eigentümer*innen profitieren.

Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels nur in extremen Ausnahmefällen

Zwar können WEGs per Mehrheitsbeschluss den Verteilungsschlüssel für die Umlage der Selbstbeteiligung ändern, darauf weist der BGH in seinem Urteil hin (Hinweis: dann muss dieser „neue“ Verteilungsschlüssel aber auch ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen), allerdings: Einen Rechtsanspruch auf eine abweichende Verteilung hätten einzelne Eigentümer*innen nur dann, wenn der bisherige Verteilerschlüssel unbillig erscheine (§ 10 Abs. 2 WEGesetz). Mit anderen Worten: Ein Anspruch auf Änderung des Verteilerschlüssels kann nur in extremen Ausnahmefällen bestehen. Ob der hier verhandelte Fall extrem genug ist, muss jetzt das Landgericht Köln entscheiden, an das diese Frage zurückverwiesen wurde.

Hinweis von WiE: WEGs sollten bei der Wohngebäudeversicherung von Sonderregelungen bezüglich der Verteilung der Selbstbeteiligung absehen. Die Umlage der Kosten nach Miteigentumsanteilen entspricht dem Solidaritätsprinzip. Will man als Eigentümer*in der Dachgeschosswohnung wirklich die Kostenverteilung zur Diskussion stellen, weil zum Beispiel zweimal hintereinander ein Flutschaden in der Kellerwohnung aufgetreten ist? Der nächste Sturmschaden, der die eigene Wohnung in Mitleidenschaft zieht, gleicht das vielleicht wieder aus. Ein einmal entfachter Streit über Verteilungsgerechtigkeit wird die WEG aber viele Jahre begleiten und das Zusammenleben nachhaltig beeinträchtigen.