02.06.2020. Welche Herausforderungen die Erstellung der Gesamt-Jahresabrechnung und der Einzelabrechnungen mit sich bringt und wie er damit umgeht, schildert WiE-Mitglied Ernst Dreher. Er führt die Selbstverwaltung der WEG seiner Tochter durch. Dreher hat vor kurzem am WiE-Webinar „Heizkostenabrechnung und andere strittige Posten in der Jahresabrechnung" teilgenommen und WiE im Anschluss seinen Erfahrungsbericht zugeschickt. Lesen Sie diesen hier – ergänzt um Kommentare des Rechtsanwalts und WiE-Beraters Jan Wittenborn und die neuesten Infos von WiE zu geplanten Änderungen im Rahmen der WEGesetz-Reform.

Erfahrungsbericht von WiE-Mitglied Ernst Dreher:

„Ich führe für die WEG meiner Tochter, die sieben Wohneinheiten umfasst, seit 2017 die Selbstverwaltung durch. In diesem Zusammenhang kümmere ich mich natürlich auch um die Erstellung der Gesamt-Jahresabrechnung und der Einzelabrechnungen.

Meines Erachtens sind die Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes in Bezug auf die Jahresabrechnung unpraktisch und teilweise widersprüchlich. Das Gesetz fordert die strikte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, aber das kann man nicht durchhalten, sondern muss dieses Prinzip im Rahmen der Einzelabrechnung schon aufgrund der Heizkostenverordnung durchbrechen. Da liegt "der Hase im Pfeffer", weil sich zwei Prinzipien in einem System nicht oder nur mit viel Verschlingungen vertragen. Dies stellt eine unnötige Verkomplizierung dar, deren „Gestrüpp“ nur von spezialisierten Juristen und Experten zu durchdringen ist. Ein normaler Wohnungseigentümer versteht das nicht. Im Webinar von WiE „Heizkostenabrechnung und andere strittige Posten in der Jahresabrechnung“ wurde mir sehr deutlich, dass in der Praxis viele Abrechnungen von WEGs deswegen einfach falsch und dass auch die Verwalter häufig damit überfordert sind.

Wie ich schon im Webinar angemerkt habe, erstelle ich die Jahresabrechnung und die Einzelabrechnungen anhand einer anderen Abrechnungsmethode als der im Gesetz vorgesehenen, nämlich der Vollbuchführung, also der klassischen „doppelten Buchführung“, wie es Unternehmen bereits seit über 100 Jahren tun. Das ist formal also nicht korrekt, entspricht juristisch gesehen nicht den Vorgaben des Wohnungseigentumsgesetzes an eine ordnungsmäßige Jahresabrechnung. Doch da die Zahlen immer stimmen und ich alles für jeden Eigentümer sehr transparent und ausführlich darstelle (zum Beispiel halte ich sie per E-Mail während des Jahres regelmäßig über die Finanzen auf dem Laufenden), ist meine Vorgehensweise sachlich richtig und daher bisher auch nicht beanstandet worden, Anfechtungen des Beschlusses über die Jahresabrechnung gab es noch nie. Es sind auch noch nie irgendwo Gelder versickert.

Grundlage für meine Arbeit ist übrigens das Excel-Programm, mit dem ich alle Auswertungen erstellen kann. Als ich die Selbstverwaltung 2017 übernommen habe, wollte ich zunächst ein professionelles Abrechnungsprogramm dafür einsetzen. Allerdings war dieses Programm umständlich, zeitraubend und unbefriedigend, sodass ich es schnell wieder zur Seite legte.

Eine WEG ist in meinen Augen eine Art "Wirtschaftsbetrieb", und da sollten wirtschaftliche und kaufmännische Gesichtspunkte und Vorgehensweisen im Vordergrund stehen. Eine korrekte Abrechnung in Form einer Bilanz muss ja nicht Pflicht sein, sollte aber erlaubt werden! Entscheidend muss doch sein, dass die Abrechnung verständlich und korrekt ist. Zu verstehen, was die umfangreiche, unübersichtliche Rechtsprechung vorgibt, ist für den Großteil der Wohnungseigentümer nicht zumutbar.“

 

Rechtsanwalt Jan Wittenborn
Foto: Jan Wittenborn

Kommentar von Rechtsanwalt Jan Wittenborn:

„Die Rechtsprechung lässt – sofern die Gemeinschaftsordnung oder sonstige Vereinbarungen hierzu keine abweichenden Regelungen enthalten – in Anlehnung an die äußerst spärlichen gesetzlichen Vorgaben bisher keine anderen Abrechnungsmethoden als die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu. Gesagt wird, die Jahresabrechnung diene nicht der Feststellung eines Ergebnisses im Sinne von Gewinn und Verlust, denn die WEG verfüge nicht über Eigenkapital im handelsrechtlichen Sinn (§ 272 HGB). Deshalb sei keine Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen. Wenn selbstverwaltende WEGs bzw. Verwalter die Jahresabrechnung nicht als Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erstellen, ist diese Vorgehensweise daher keineswegs rechtssicher. Der Beschluss über die Abrechnung kann vor Gericht dann alleine deshalb angefochten werden.“

Jan Wittenborn, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, ist als Berater für WiE tätig und führt regelmäßig WiE-Webinare durch.

Wohnen im Eigentum informiert:

  • Unzureichende gesetzliche Vorgaben für die Jahresabrechnung kritisiert WiE seit vielen Jahren. Wohnungseigentümer sind Verbraucher und sollten dem Gesetz entnehmen können, welche Bestandteile die Jahresabrechnung haben muss und wie damit umzugehen ist, dass etwa die Heizkostenverordnung mit einer einfachen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung gar nicht vereinbar ist.
     
  • Der aktuelle Gesetzesentwurf für das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz sieht leider keine Konkretisierung vor, er würde nur Anfechtungen erschweren und führt neu ein dass Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres auch einen Vermögensbericht zu erstellen haben. WiE fordert hingegen, die Chance der Reform zu nutzen, um die notwendigen Bestandteile der Jahresabrechnung und die genaue Art und Weise der EinnahmenAusgaben-Rechnung konkret vorzugeben – inklusive der wichtigen Praxisfrage, ob perioden- und verursachungsgerechte Abgrenzungen bei Abrechnungen über Heizkosten, Wasser, Versicherungen etc. möglich sein sollen oder nicht. Mit der Vorgabe einer Muster-Abrechnung ließe sich die Qualität der Jahresabrechnungen deutlich erhöhen, die Zahl der Beschlussanfechtungen reduzieren und ihre Vergleichbarkeit wäre gewährleistet
     
  • Die aktualisierten WiE-Forderungen zur WEGesetz-Reform können Sie hier nachlesen.
     
  • Sie sind Mitglied und haben Fragen rund um die Erstellung der Jahresabrechnung und der Einzelabrechnungen? Dann nehmen Sie unsere kostenlosen telefonischen Rechtsauskünfte in Anspruch. Nähere Informationen und Terminvereinbarung. Für Mitglieder bietet WiE auch die Prüfung von Jahresabrechnungen an.