18.03.2024. Günter Urban ist Diplom-Ingenieur, Energieberater und Wohnungseigentümer. Er kennt daher die besonderen Bedürfnisse und Besonderheiten von WEGs. Bei der Bonner Energieagentur bietet er seit kurzem eine Erstberatung speziell für Wohnungseigentümer an. Im Interview mit WiE erläutert er, warum es sinnvoll ist, einen individuellen Sanierungsfahrplan erstellen zu lassen, bevor mit energetischen Sanierungsmaßnahmen begonnen wird.

WiE: Wann macht es Sinn, als Immobilieneigentümer einen individuellen Sanierungsfahrplan erstellen zu lassen?

Günter Urban: „Die Erstellung eines individuellen Sanierungsfahrplans (iSFP) durch einen Energieeffizienzexperten ist grundsätzlich für jeden Immobilieneigentümer bzw. jede Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Gebäude älter ist, empfehlenswert – und zwar nicht erst dann, wenn eine konkrete Maßnahme ansteht. Häufig kommen Wohnungseigentümer beispielsweise zu mir, wenn das Dach undicht ist und umfassend saniert werden muss oder eine Maßnahme im Erhaltungsplan ihrer WEG (der auf jeden Fall wichtig ist) vorgesehen ist. Sinnvoll ist es jedoch, schon vorher, also auch ohne konkreten Bedarf einen iSFP zu veranlassen. Denn dieser stellt eine Grundlage dar, um wirklich beurteilen zu können, welche energetischen Sanierungsmaßnahmen für das jeweilige Gebäude mittel- und langfristig nützlich und sinnvoll sind, und in welcher Reihenfolge diese angegangen werden sollten. Es macht mit Blick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis beispielsweise wenig Sinn, viel Geld in eine neue Heizung zu investieren und dann fünf Jahre später die alten Fenster auszutauschen. Das sollte vorher geschehen. Ein iSFP ist 15 Jahre lang gültig, bezieht sich also auf einen langen Zeitraum. Ein weiterer Vorteil des iSFP: Das Gebäude wird hierfür anhand der vorliegenden Baupläne und Grundrisse und mithilfe einer Software erfasst – und das kann dann Grundlage für weitere Leistungen sein – etwa eine Heizlastberechnung (u.a. für den hydraulischen Abgleich) – die dadurch dann in der Regel deutlich kostengünstiger ausfallen.“

WiE: Und wie sieht es aus, wenn ein Heizungstausch gewünscht ist oder bald erforderlich wird?

Günter Urban: „Auch dann macht es Sinn, zuerst einen iSFP erstellen zu lassen. Denn für die Planung einer neuen Heizung sollte eine Heizlastberechnung gemacht werden – und diese kann dann, wie gesagt, günstiger durchgeführt werden, da das Gebäude für den iSFP bereits erfasst wurde. Häufig fragen Eigentümer bzw. WEGs, ob in ihrer Immobilie eine Wärmepumpe eingebaut werden könnte. Technisch gesehen geht das meistens. Doch um qualifiziert beurteilen zu können, ob eine Wärmepumpe auch wirtschaftlich Sinn macht (insbesondere mit Blick auf die Dimensionierung der Pumpe und den Betriebskosten), müssen Berechnungen durchgeführt werden.“

WiE: Gibt es denn unterschiedliche Ausrichtungen des iSFP?

Günter Urban: „Ja. Grundsätzlich kann man zwischen zwei Zielen unterscheiden: Entweder möchte man als Immobilieneigentümer eine bestmöglich aufeinander abgestimmte Schritt-für-Schritt-Sanierung des Gebäudes (was häufiger vorkommt) oder eine Komplettsanierung, mit der ein Effizienzhausstandard erreicht wird. Eigentümer sollten in einem Erstgespräch mit dem Energieberater ihre Überlegungen und Vorstellungen besprechen und auch äußern, ob es eine energetische Maßnahme gibt, die sie gerne als erstes umsetzen würden.“

WiE: Was sollten WEGs bei der Suche nach einem Energieberater beachten?

Günter Urban: „Die Erstellung eines iSFP wird vom Bund im Rahmen der „Bundesförderung Energieberatung für Wohngebäude“ bezuschusst, sodass die Kosten, die die WEG selbst tragen muss, in der Regel nur rund 425 Euro betragen. Um eine Förderung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erhalten zu können, muss der Energieeffizienzexperte (Energieberater) bei der Deutschen Energie-Agentur zugelassen und gelistet sein (www.energie-effizienz-experten.de), in der Rubrik ‚Wohngebäude‘. Das ist wichtig. WEGs sollten außerdem darauf achten, dass der Energieberater nach der Erstellung des iSFP möglichst später auch die Umsetzung von energetischen Sanierungsmaßnahmen begleiten kann.Das ist nicht immer automatisch der Fall, manche Berater bieten nur die Energieberatung an oder haben nicht die Kapazitäten für die Begleitung größerer Projekte wie Heizungstausch oder Dachdämmung. Sinnvoll ist auch, als WEG nachzufragen, ob der Berater denn schon Erfahrungen mit Wohnungseigentümergemeinschaften hat bzw. nach Referenzen zu fragen. Auf der Webseite der Bonner Energieagentur kann man übrigens zielgerichtet nach Energieberatern suchen, die auf Wohnungseigentümergemeinschaften spezialisiert sind.“

WiE: Welche Unterlagen müssen WEGs vorliegen haben, wenn sie einen Energieberater beauftragen möchten?

Günter Urban: „Abgesehen von den Unterlagen zur Antragstellung der Förderung werden auf jeden Fall die Grundrisse des Gebäudes und der einzelnen Wohnungen benötigt. Außerdem die Baubeschreibung und wenn möglich auch Nachweise über bereits durchgeführte energetische Sanierungen. In der Praxis zeigt sich, dass die Baubeschreibung den Eigentümern bzw. dem Verwalter nicht immer vorliegt – dann muss der Verwalter diese beim Bauamt anfragen. Möglicherweise liegen sie auch noch bei der vorherigen Verwaltung, wenn es einen Verwaltungswechsel gab.“

WiE: Gibt es eigentlich eine Pflicht, mit einem Energieberater zusammenzuarbeiten?

Günter Urban: „Ja, nicht nur beim iSFP. Wer für Energieeffizienz-Einzelmaßnahmen wie beispielsweise Dämmung oder Fenstertausch Fördermittel im Rahmen der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ beantragen möchte, muss hierfür ebenfalls verpflichtend mit einem Energieeffizienz-Experten zusammenarbeiten. Sonst gibt es keine Fördermittel.“

Ergänzende Hinweis von WiE:

Wenn Sie Fördermittel für den Heizungstausch beantragen möchten, ist die KfW zuständig (mit Ausnahme Errichtung, Umbau, Erweiterung eines Gebäudenetzes). Näheres zur Heizungsförderung lesen Sie hier.